Kommentar von Christian Rath über den Abschlussbericht zur Germanwings-Tragödie
: Die Schweigepflicht muss bleiben

Depressionen können nicht im Blut festgestellt werden

Vor fast einem Jahr riss der suizidale Lufthansa-Kopilot Andreas Lubitz 149 Passagiere eines Germanwings-Fluges mit sich in den Tod. Jetzt hat die französische Flugunfallbehörde ihren Abschlussbericht vorgelegt. Laut Medienberichten fordert sie darin eine Durchbrechung der ärztlichen Schweigepflicht. Mediziner sollen die Behörden unterrichten, wenn ein Pilot eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist. Außerdem sollen Piloten regelmäßig auf ihre psychische Gesundheit untersucht werden.

Diese Vorschläge wirken auf den ersten Blick einleuchtend, ihre Umsetzung würde aber nur eine Scheinsicherheit vorgaukeln. Jährliche Tests würden wenig helfen, wenn sich ein psychisches Problem kurzfristig zuspitzt. Und wie will man überhaupt psychische Probleme eines Piloten aufdecken, wenn dieser sie verheimlicht oder überspielt? Depressionen können schließlich nicht per Blut- oder Urinuntersuchung festgestellt werden.

Auch eine Abschwächung der ärztlichen Schweigepflicht dürfte wenig helfen. Wenn Piloten wissen, dass Ärzte psychische Probleme den Behörden künftig melden müssen, werden sie damit eben nicht mehr zu Ärzten gehen. So würde die Gefahr für die Flugpassagiere sogar noch erhöht: Die Ärzte könnten den Behörden schließlich kaum etwas mitteilen, weil sie von gefährlichen Entwicklungen gar nichts mehr erfahren. Und Piloten, denen die Ärzte eigentlich helfen könnten, fliegen einfach unbehandelt weiter.

Bisher kann die ärztliche Schweigepflicht nur durchbrochen werden, wenn der Patient die Verletzung anderer ankündigt oder diese unmittelbar bevorsteht – also nur in extremen Ausnahmefällen. Dabei sollte es bleiben. Der Wunsch nach mehr Sicherheit ist angesichts der Tragödie in den französischen Alpen zwar verständlich, mit Reformen, die bloß gut klingen, ist aber nichts gewonnen.