Daten auf Abwegen

INFORMATION Die Digitalisierung des Alltags schreitet voran. Mit konkreten Folgen für alle – für Arbeitnehmer, Patienten, Autofahrer, Schwimmer. Das zeigt der Report für 2015, den Berlins neue Datenschutzbeauftragte, Maja Smoltczyk, vorstellte

Foto: 3alexd/ getty

von Antje Lang-Lendorff

Wenn nach der ersten Pressekonferenz der neuen Berliner Datenschutzbeauftragten eines klar ist, dann das: Maja Smoltczyk will nicht als Bremserin dastehen. Am Mittwoch präsentierte sie den Datenschutzreport 2015. Und betonte dabei mehrfach, dass Datenschutz nicht heiße, Dinge zu verhindern.

Beispiel Terror: Nach den Anschlägen von Brüssel (siehe Seite 22) fordern Innenpolitiker einen besseren Zugriff und Austausch von Daten Verdächtiger. Bei Datenschützern klingen da normalerweise die Alarmglocken. Smoltczyk sagte, solche Ereignisse veränderten natürlich die Parameter. „Es liegt auf der Hand, dass die Sicherheitsaspekte von höchster Bedeutung sind. Dem wird sich der Datenschutz niemals entgegenstellen.“ Er dürfe nur eben auch nicht vernachlässigt werden. Ihr Fazit: „Das Maß muss stimmen.“

Seit Ende Januar hat Smoltczyk das Amt inne. Die Juristin, die nebenbei auch als Bildhauerin arbeitet, folgte auf den bundesweit profilierten Alexander Dix. Die Nominierung von Smoltczyk war im Parlament umstritten: Grüne, Linke und Piraten bezweifelten ihre fachliche Kompetenz. Die 54-Jährige, die bislang die Abteilung „Plenar- und Ausschussdienste“ im Abgeordnetenhaus leitete, verfüge nicht über einschlägige Erfahrungen in Sachen Datenschutz, monierte die Opposition. Am Ende erhielt Smoltczyk 75 Ja- und 60 Neinstimmen.

Berlins Datenschützer hatten 2015 mehr zu tun: 1.300 bis 1.400 Anfragen und Beschwerden gab es bei der Behörde in den Vorjahren. 2015 sei diese Zahl auf 1.500 gestiegen, so ein Mitarbeiter von Smoltczyk. Vor allem die Eingaben zu privaten Firmen hätten zugenommen.

Über das Profil der Neuen sagt der Report wenig aus, entstand er doch noch unter ihrem Vorgänger Dix. Smoltczyk nutzte die Pressekonferenz aber, um Schwerpunkte ihrer Arbeit vorzustellen. So will sie die Berliner Start-ups in Sachen Datenschutz stärker begleiten. Auch die Aufklärung von Jugendlichen sei ihr wichtig. „Sie machen sich oft zu wenig Gedanken, was sie ins Netz stellen und was für Folgen das für sie hat.“

Vernetzte Fahrzeuge

Die Digitalisierung hält auch Einzug in den Verkehr. Laut dem Datenschutzreport werden neue Verfahren erprobt, mit denen Autofahrer schon unterwegs erkennen sollen, wo sich ein freier Parkplatz befindet. Bereits jetzt können Autos mancher Hersteller per App ein- und ausgeparkt werden. Hacker hätten sich in der Vergangenheit in die Fahrzeugtechnik eingeklinkt, um auf Schwachstellen hinzuweisen. Smoltczyk warnte: „Angriffe können im Extremfall zu einer Gefahr für Leib und Leben werden.“ (all)

Verletzliche Patienten

Die Charité hat nach Angaben der Datenschutzbehörde neue IT-Verfahren eingeführt. Die Daten von Patienten wurden dabei nicht ausreichend geschützt. „Cyberkriminalität hat stark zugenommen“, warnte Smoltczyk. Kämen Krankendaten in die falschen Hände, könnten Patienten damit erpresst werden. Auch die Manipulation lebenswichtiger Geräte sei denkbar. Sie hätten die Charité auf die Sicherheitslücken hingewiesen. Vom Klinikkonzern war bis zum Nachmittag keine Stellungnahme zu erhalten. (all)

Überwachte Handwerker

Die Datenschutzbehörde bekam 2015 auch Anfragen von Handwerkern, die GPS-Geräte in ihren Dienstfahrzeugen hatten. Damit waren sie für ihre Arbeitgeber ständig zu orten, sie fühlten sich permanent überwacht. Die Firmen wiederum gaben an, die Ortung sei sinnvoll, um Einsätze besser koordinieren zu können. „Es ist menschlich nachvollziehbar, dass das für den Arbeitgeber interessant ist, es ist aber nicht zulässig“, sagte Smoltczyk. Ein Unternehmen habe das GPS-Gerät dann auch aus dem Fahrzeug ausgebaut. (all)

Gläserne Schwimmer

Die Berliner Bäder-Betriebe haben 2013 eine neue Jahreskarte eingeführt, mit der man unbegrenzt in alle Bäder kommt. Allerdings wird bei jedem Einsatz der Chipkarte im Kassensystem gespeichert, welches Bad der Kunde wann betreten hat. „Damit können Bewegungsprofile geschaffen werden“, kritisierte Smoltczyk. Gegen öffentliche Stellen darf die Datenschutzbeauftragte keine Sanktionen verhängen. Sie hätte die Bäderbetriebe aber aufgefordert, die Daten auf ein Mininum zu reduzieren. Laut dem Sprecher der Bäderbetriebe sind rund 2.000 Dauerschwimmer im Besitz einer solchen Jahreskarte. „Wir können das Kassensystem bislang nicht so umstellen, dass ein Badbesuch nicht gespeichert wird“, sagte er. Sie seien aber im Gespräch mit dem Hersteller und suchten nach einer Lösung. (all)