Bewegung

www.bewegung.taz.dedie Plattform für Veränderung

Nazis im Bürger_innenpelz

Antifaschismus Ein neues „Berliner Bündnis gegen Rechts“ will Antifa-Proteste in Berlin dauerhaft stärken. Für diesen Samstag macht es gegen Neonazis in Hellersdorf mobil

So schön kann es aussehen: erfolgreiche Blockade eines Nazi-Aufmarschs im April 2014 in Mitte Foto: Theo Schneider

von Theo Schneider

Der anhaltende gesellschaftliche Rechtsruck, der auch vor Berlin nicht haltmacht und immer häufiger Rassisten, Neonazis und andere Flüchtlingsfeinde auf die Straße lockt, sei „Warnung und zugleich klarer Arbeitsauftrag“, heißt es in der Gründungserklärung des Berliner Bündnisses gegen Rechts (BBgR), das sich in den letzten Wochen gebildet hat. Fast drei dutzend Vereine, Initiativen und Antifa-Gruppen wollen als „breites, antifaschistisches Bündnis gemeinsam und gezielt“ gegen rassistische Mobilisierungen in der Hauptstadt vorgehen und Proteste gegen entsprechende Versammlungen nachhaltig stärken. Dabei sind neben regionalen Antifastrukturen und linken Großgruppen wie der Interventionistischen Linken (IL) oder TOP Berlin auch migrantische Verbände, Parteijugenden und universitäre Zusammenschlüsse mit im Boot. Erklärtes Ziel ist es, Kräfte zu bündeln und lokale Proteste vor Ort zu unterstützen. Sie alle stehen für ein solidarisches Miteinander in der Stadt und wollen ihre Aktionen „mit der Forderung nach einer sofortigen Umkehr in der deutschen und europäischen Flüchtlingspolitik, die bisher auf Abschottung und Ausgrenzung setzt“, verbinden, heißt es in der Erklärung.

Als erstes Projekt mobilisiert das Bündnis zu Blockaden gegen einen geplanten Neonaziaufmarsch am kommenden Samstag nach Marzahn-Hellersdorf. Dort will die rechte Szene Berlins unter dem Motto „Sicherheit statt Angst“ erneut gegen Flüchtlinge auf die Straße gehen. Organisiert wird die rechte Demo von Neonazis aus einem Netzwerk vermeintlicher „Bürgerinitiativen“, eine häufig genutzte Tarnbezeichnung von NPD-Anhängern und anderen Rechtsextremen, mit dem seit Monaten gegen Asylunterkünfte und deren Bewohner in verschiedenen Berliner Bezirken gehetzt wird. In Marzahn-Hellersdorf sind das vor allem der ehemalige Kameradschaftsaktivist und NPD-Kandidat Marcel Rockel und die beiden Neonazi-Aktivisten Rene Uttke und Patrick Krüger. In dem Aufruf für Samstag, wonach die Sicherheit angeblich durch „den Zuzug von fremden Menschenmassen“, „artfremder, nichtchristlicher Kulturen“ und einer „verbrecherischen Willkommenskultur“ gefährdet sei, lassen die Organisatoren keine Zweifel an der flüchtlingsfeindlichen Ausrichtung ihrer Versammlung.

Vielmehr ist es gerade die rassistische Mobilisierung solcher Gruppierungen, die seit über zwei Jahren in Bezirken wie Marzahn-Hellersdorf die Sicherheit gefährdet und Menschen in ihrem Hass auf Nichtdeutsche bestärkt. Die Berliner Polizei berichtet mittlerweile fast täglich von rassistisch motivierten Attacken im Bezirk. Zuletzt am Ostermontag, als in einer Bar in der Märkischen Allee ein 28-Jähriger nach „Sieg Heil“-Rufen zwei Gäste aufgrund ihres asiatischen Aussehens attackierte. Die Jahresbilanz für 2015 der Opferberatungsstelle ­ReachOut weist Marzahn-Hellersdorf mit 71 Angriffen als Spitzenreiter bei rechter Gewalt in Berlin aus – mit gleichbleibender Tendenz. Auch die bezirkliche Registerstelle zur Dokumentation rechter Aktivitäten berichtet von einer Verdreifachung rechtsextremer Vorfälle im Bezirk für das vergangene Jahr.

Auch die Gegendemonstranten sehen in Marzahn-Hellersdorf einen „Brennpunkt rassistischer Übergriffe und rechter Mobilisierung“ und wollen den Neonaziaufmarsch mit Menschenblockaden verhindern. Neben mehreren Gegenkundgebungen am Rande des rechten Aufzuges, der um 13 Uhr am Alice-Salomon-Platz (U-Bahnhof Hellersdorf) starten will und bis zum S-Bahnhof Marzahn führen soll, sind zwei Treffpunkte zur gemeinsamen Anreise aus der Innenstadt angekündigt. Ab 11 Uhr wollen sich Aktivisten jeweils am S-Bahnhof Ostkreuz und Frankfurter Allee treffen, um von dort geschlossen nach Hellersdorf zu fahren und Blockaden zu bilden.

Für alle, die es nicht schaffen oder vor Ort wohnen, wird das bezirkliche Bündnis für Demokratie und Toleranz ab 12.30 Uhr direkt am Auftaktort der Rechten eine große Gegenkundgebung unter dem Motto „Hass ist keine Alternative – Für ein buntes Marzahn-Hellersdorf“ abhalten.

Für letzte Informationen zum Stand der Gegenaktivitäten ist eine Infoveranstaltung für Freitag um 19 Uhr in Jockels Biergarten in Kreuzberg geplant.

Das BBgR wird nach dem Wochenende aber nicht erst auf die nächste rechtsextreme Aktion warten, um aktiv zu werden: „Um als antifaschistisches Bündnis gegen rechts sprech- und handlungsfähig zu sein, arbeiten wir nicht nur anlassbezogen, sondern kontinuierlich und entwickeln eigene Inhalte“, so der Anspruch der Bündnisgruppen.

Samstag, 2. AprilTreffpunkte für Gegendemonstrant_innen: 11 Uhr am S-Ostkreuz und an der S-Frankfurter Allee, Start um 12.30 Uhr, Alice-Salomon-Platz (U-Bahnhof Hellersdorf) Twitter-Hashtag #mahe0204