Schneewittchen, Alice und ein rosa Elefant

Jubiläum Die Schaubude in der Greifswalder Straße feierte mit „Froh ist der Schlag unserer Herzen“ 30 Jahre Ernst-Thälmann-Park

Die Putzfrau Gabi spuckt auf das Bild von Erich Honecker und wischt es mit dem Tuch sauber. An der Wand der Wohnung entdeckt sie Medaillen und Urkunden. Die alte Frau erinnert sich an ihre eigenen, die sie als Kind in der Pionierorganisation „Ernst Thälmann“ erhalten hat, und verwandelt sich in ihre frühere Lehrerin. „Seid bereit!“, ruft sie und ein paar ZuschauerInnen antworten: „Immer bereit!“ Später erzählt sie das kommunistische Märchen von Schneewittchen, das durch ihre Disziplin zur besten Eiskunstläuferin wurde. Ein Overhead-Projektor projiziert Bilder an die Wand. Eine Barbie spielt die böse Königin, das aufblinkende Bild von Honecker ist der Zauberspiegel und die jungen Pioniere stellen die Zwerge dar. Sie fragen: „Wer hat in meinem Pionierausweis geblättert? Wer hat meine Medaillen durchwühlt?“ Am Ende wird sie vom Kosmonauten Sigmund Jähn gerettet und das giftige Westobst, eine Banane, löst sich aus ihrem Hals.

Die Eine-Frau-Show „Froh ist der Schlag unserer Herzen“ von Jana Weichelt fand vergangenen Freitag an der Schaubude in der Greifswalder Straße statt. Prenzlauer Berg feierte am Wochenende das 30-jährige Bestehen des Ernst-Thälmann-Parks. Die Anlage wurde im April 1986 zum 100. Geburtstag von Ernst Thälmann eingeweiht. In der DDR verehrte man den KPD-Führer, der 1944 im KZ Buchenwald erschossen wurde, als Held und Märtyrer. Die Schaubude begegnete dem Jubiläum der Parkanlage am Wochenende mit viel Ironie und Fantasie. Bekannt als Spielstätte für Theater der Dinge bot sie eine Reise in bizarre Welten, in denen Vergangenheit und Fiktion ineinanderflossen. In ihrem Programm „Utopisch wohnen – 30 Jahre Ernst-Thälmann-Park“ wurden Objekte der Erinnerung lebendig und Orte neu erfahrbar.

Bitte das Handy hacken!

Ein Audiowalk, den man sich als App auf sein Smartphone herunterlädt, führt einen durch den Park. Startpunkt ist die Schaubude. Über Kopfhörer gibt eine monotone Stimme Informationen über das Theater. Doch dann raunt eine andere Stimme, man solle doch Alice an der Bar fragen, ob sie einem das Handy hacken könne. Bruno Pilz, der App-Erfinder, reicht Kuchen und einen türkisen Siruptee, während Alice eine Datei aufs Handy lädt. Nun wirkt der Audiowalk „Alice Déjà-vu“ psychedelisch. Die Stimme spricht vom Universum, sie führt einen in den Untergrund, hinab in die Straßenunterführung, und hinein ins Zentrum. Man soll einen Stein mitnehmen und über einen geheimen Weg, einen Schleichweg, in den Park gehen, immer dicht an den Büschen entlang, damit die böse Königin, die oben im Turm der Hochhäuser sitzt, einen nicht entdeckt.

Der Thälmann-Park stellt eine Mustersiedlung der späten DDR dar: Plattenbauten, eine Schule, Sporthallen, Restaurants, Kultureinrichtungen, ein Teich, Bäume, Wiesen und ein 13 Meter hohes Thälmann-Denkmal. Auf der anderen Seite der Anlage, in einer Seitenstraße der Prenzlauer Allee, fand das Theaterstück „Alltag – ein Heimspiel“ in der Wohnung von Max Howitz statt. Die BesucherInnen dürfen seine Sachen durchwühlen und spielen mit ihm Mühle. Seine Exfreundin taucht unter seinem Bett auf. Seine Katze huscht vorbei. Ein Radio erzählt aus seinem Leben. Max geht Karotten und Ingwer kaufen. Vom Balkon aus kann man beobachten, wie er als rosa Elefant verkleidet die Straße auf und ab rennt. Später badet er und seine Exfreundin sitzt auf dem Klo. Max liest einer lebendig gewordenen Lampe das Märchen von Schneewittchen vor und führt es fort: „Doch dann hatte Schneewittchen Sehnsucht nach den Zwergen und der Prinz mochte die Magd.“

Julika Bickel