Egomanie auf Merkels Kosten
: KOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Kaum einen anderen Vorwurf finden Politiker so ungerecht wie den, dass es ihnen nur um Posten und Privilegien gehe, nicht aber um die Sache. Wer sich mit einem so bösen Verdacht konfrontiert sieht, kann zweierlei tun: entweder sich bemühen, ihn zu entkräften – oder sich verhalten wie eine wachsende Schar von Unionspolitikern. Die streiten wie die Kesselflicker, seit die attraktivsten Ämter in Berlin verteilt sind. Vorher waren sie ganz brav.

Die CDU in Nordrhein-Westfalen fühlt sich bei der Postenvergabe benachteiligt, aus Rheinland-Pfalz kommen kritische Töne zum Wahlkampf. Sachsens CDU möchte eine Patriotismus-Debatte anstoßen, und der Vorsitzende der Jungen Union will ganz schnell das enttäuschende Wahlergebnis analysieren. Also noch vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Die zu führen muss jetzt richtig Spaß machen. Vor allem der SPD.

Besonders interessant sind Äußerungen des Vorsitzenden der Unions-Sozialausschüsse Karl-Josef Laumann. Er war bisher vor allem dadurch aufgefallen, dass er keine Einwände gegen den geplanten Abbau von Arbeitnehmerrechten hatte. Jetzt findet er, dass die Union ihre christlich-soziale Wurzel ausradiert hat. Angesichts solcher Überraschungen kommt es schon fast nicht mehr darauf an, dass auch bei der CSU die Hütte brennt.

Es ist Edmund Stoiber gelungen, sich ein weiteres Mal durchzusetzen. Nach seinem Muskelspiel bei der Kabinettsbildung in Berlin erreichte er jetzt, dass sein Nachfolger in Bayern erst gewählt wird, wenn er selbst in seinem neuen Amt vereidigt ist. Falls da noch etwas schief geht, kann Stoiber nun Deutschland in jedem Falle weiter dienen. Notfalls gegen wachsenden Widerstand in den eigenen Reihen. Die Union bietet ein ziemlich erbärmliches Bild. Natürlich muss ein enttäuschendes Wahlergebnis analysiert werden, und es ist auch legitim, persönliche Interessen zu vertreten. Aber wenn eine so große Zahl von Leuten gerne bereit ist, der eigenen Spitzenkandidatin bei schwierigen Verhandlungen in den Rücken zu fallen, dann nähren sie den Verdacht, dass es ihnen eben gar nicht um die Sache geht. Sondern nur und ausschließlich um sich selbst.

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