Betriebsrätin unter Druck

Prozess Konsumgüter-Zertifizierer Bureau Veritas will die Vorsitzende des Betriebsrates heute per Arbeitsgericht des Amtes entheben lassen

Die Betriebsrätin der Dienstleisterfirma Bureau Veritas Konsumgüter ist in Bedrängnis geraten: Seit einem Jahr wird die Vize-Betriebsrats- und Gesamtbetriebsratsvorsitzende Peggy Prescher mit Abmahnungen übersäht, da sie ihren originären Aufgaben als Betriebsrätin nachkommt – heute verhandelt das Arbeitsgericht über ein vom Bureau Veritas beantragtes Amtsenthebungsverfahren wegen „grober Pflichtverletzung“.

Peggy Prescher arbeitet seit 2005 beim Zertifizierungsdienstleister für Konsumgüter Bureau Veritas in Langenhorn und ist Teamleiterin der Abteilung „Organische Analytik“. 2012 beteiligte sich die Ver.di-Gewerkschafterin maßgeblich am Aufbau eines Betriebsrates, seit 2015 ist die 36-Jährige Gesamtbetriebsratsvorsitzende für die vier Standorte.

Die erste Ermahnung erhielt Prescher wegen angeblich nicht erforderlicher Betriebsratsarbeit. „Wir hatten zu dritt einen Kollegen zu einem Personalgespräch begleitet, zu dem die Geschäftsführung mit drei Leuten angerückt war“, erinnert sich Prescher. Das sei unnötig gewesen, befanden die Chefs und haben ihr für die Zeit des Meetings 8,56 Euro brutto vom Gehalt abgezogen. Sie habe das Geld plus Zinsen beim Arbeitsgericht einklagen müssen.

In Ungnade gefallen ist Prescher auch, als sie wegen einer Kündigungswelle im Schweriner Labor als Gesamtbetriebsratsvorsitzende eine Solidaritätserklärung verfasst hat. Nach eigenen Angaben habe sie dann die betroffenen Kollegen beraten. „Sieben Entlassungen mussten nach Kündigungsschutzklagen zurückgenommen werden.“ Inzwischen habe sie einen Wahlvorstand für einen Betriebsrat in Schwerin einsetzen können.

Eine Abmahnung kassierte die Gesamtbetriebsrätin außerdem, als sie anfragte, warum Vermögenswirksame Leistungen zwar auf dem Gehaltszettel auftauchten, jedoch nicht gezahlt wurden. Das jetzige Amtsenthebungsverfahren wird mit „individualrechtlicher Beratung“ und „Anstiftung zum Prozessbetrug“ zum finanziellen Nachteil der Firma begründet, da Prescher einer ausscheidenden Mitarbeiterin geraten habe, auf die Einhaltung einer Betriebsvereinbarung zu pochen. Das Verhalten der Betriebsrätin Prescher sei „querolatorisch“ und „boshaft“ zu bewerten, würde der Firma schaden und sei ein „Verstoß gegen die Verpflichtung der vertrauensvollen Zusammenarbeit“, sagt die Bureau Veritas-Geschäftsführung.

„Kriminalisierung der gesetzlichen Mitbestimmung“, nennt Ver.di-Mann Peter Bremme das Verhalten von Bureau Veritas. „Das Amtsenthebungsverfahren offenbart eine neue Qualität von Verhinderungsstrategien betrieblicher Mitbestimmung“, die Bremme zufolge keine Schule machen darf.

Kai von Appen