Ein bloßes „Nun wählt ihn doch“ reicht eben nicht

Die Linkspartei hält an ihrem Kandidaten fürs Bundestagspräsidium fest – die meisten anderen an ihrer Meinung. SPDler bedauert die „Eigendynamik“ der Bisky-Nichtwahl

BERLIN taz ■ Geht es nach der Linkspartei.PDS, kandidiert ihr Parteichef Lothar Bisky jetzt so lange für das Bundestagspräsidium, bis er gewählt ist. „Wir können in den nächsten Wochen jede Bundestagssitzung mit der Wahl beginnen“, sagte die Links-Abgeordnete Petra Pau gestern. Ihre Fraktion forderte den Ältestenrat des Bundestags auf, sich zu überlegen, wie es mit der Wahl des Präsidiums nun weitergeht. Die nächste Parlamentssitzung ist bislang für Mitte November angesetzt.

Bisky war am Dienstagabend bei der konstituierenden Sitzung des Bundestags auch im dritten Wahlgang nicht zum Vizebundestagspräsidenten gewählt worden. Zuletzt stimmten 258 Abgeordnete gegen und 248 für ihn – die restlichen 108 Abgeordneten enthielten sich oder waren entschwunden. Die fünf Kandidaten aller anderen Fraktionen hatten es dagegen zuvor anstandslos ins Präsidium geschafft. Der Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) und seine Vizes steuern die Bundestagsverwaltung mit rund 3.000 Mitarbeitern, koordinieren die Parlamentssitzungen und vertreten den Bundestag als Institution. Ihr Amt ist also eher – aber nicht nur – repräsentativ.

Genau dieser Umstand jedoch macht es zumindest fraglich, ob der Bundestag sich in einer vierten Runde dazu bewegen lässt, Bisky zu wählen. Der Koblenzer CDU-Abgeordnete Michael Fuchs zum Beispiel machte gestern keinen Hehl aus seinen Absichten. „Ich möchte nicht von Herrn Bisky da oben vertreten werden, wenn ich da unten stehe und eine Rede halte“, sagte er zur taz.

Zwei Gründe sprächen „gegen Bisky als Person“: Er gelte als ehemaliger IM der Stasi und sei auch vom Verfassungsschutz beobachtet worden. Außerdem müsse er als Parteichef ja parteiisch sein – von einem Bundestagspräsidenten jedoch werde Überparteilichkeit erwartet. Die Abgeordnete Gesine Lötzsch „wäre im ersten Wahlgang gewählt worden“, sagte Fuchs: „Die hat hier im Bundestag ja schon fleißig mitgearbeitet.“ Die Linkspartei solle also einen anderen Kandidaten oder gleich Frau Lötzsch aufstellen.

Noch einen dritten, aber unpersönlichen Grund für die Ablehnung Biskys nannte Fuchs: Der dritte Wahlgang wurde von Lammert in eigenmächtiger, wenn auch mehrheitlich akzeptierter Auslegung der Geschäftsordnung anberaumt. Dies habe die Ungehaltenheit vieler Abgeordneter verstärkt. Da half auch nicht, dass die Unionschefin Angela Merkel weithin vernehmbar sagte: „Nun wählt ihn doch.“

Ebenso wie Merkel hatte auch SPD-Chef Franz Müntefering die Parole „Durchwählen“ ausgegeben. Mit ebenso begrenztem Erfolg: Rund zwei Drittel der 226 Unionsabgeordneten dürften Bisky ihre Stimme verweigert haben, schätzte mancher. Dann müssen die meisten anderen der noch rund 100 „Nein“-Voten aus der SPD gekommen sein – und einige auch aus der FDP.

Die Grünen erklärten jedenfalls, sie hätten sich daran gehalten, dass das Bundestagspräsidium im Großen und Ganzen von allen gemeinsam gewählt wird. Ihre Fraktionschefs kritisierten Merkel und Müntefering gestern offen dafür, nicht für Disziplin gesorgt zu haben. Nur in der Grünen-Fraktion waren schon vor der Bundestagssitzung Fragen wegen Biskys IM-Verdacht gestellt – und zur Zufriedenheit beantwortet worden. Woanders war er kein Thema.

Die von der SPD ins Präsidium entsandte Vize Susanne Kastner erklärte eine Ablehnung Biskys aus SPD-Reihen vor allem mit ostdeutschen „Befindlichkeiten“ wegen des IM-Verdachts. „Ich kann es nicht verurteilen, dass solche Dinge nicht vorher laut gesagt wurden“, sagte sie zur taz.

Der Sprecher des rechten SPD-„Seeheimer“-Flügels bestätigte, dass mancher sich an der Linkspartei auch allgemein „wegen des Wahlkampfs“ rächen wollte. Der Sprecher der SPD-Ostler Stephan Hilsberg sagte, viele hätten mit ihrem Nein „ein Zeichen setzen wollen“ – aber die Wirkung nicht bedacht. „Das hat dann zum dritten Wahlgang eine Eigendynamik gegeben.“ Jetzt schlage er vor, Bisky in der nächsten Runde zu wählen, wenn die PDS „so unklug“ sei, an ihm festzuhalten. Denn: „Der Klügere gibt nach.“ ULRIKE WINKELMANN