Hall der Historie

Konzert Die Achtziger als Hype der Stunde: Drangsal im Badehaus

Ach, die Achtziger. Sehnsuchtsjahrzehnt mit Synthesizerträumen, Tanzen mit Tränen in den Augen. Dieser Dekade sollte im Laufe des Donnerstagabends wahrlich mehr als nur eine Nebenrolle zukommen im Badehaus. Dort feierte mit Drangsal um den 22-jährigen Sänger Max Gruber eine Band ihr Albumdebüt, für die diese Epoche zwar noch in die Zeit des Pränatalen fällt, die aber dem Lebensgefühl und dem Sound dieser Zeit in einer Weise huldigt wie derzeit niemand anders.

Drangsals Debütalbum „Harieschaim“ ließ dabei die Hype­maschinen des Popbetriebs in den vergangenen Wochen heißlaufen. Entsprechend findet sich eine Schar junger Musikindustriearbeiter, nicht mehr ganz so junger Popjournalisten und nach hippem, US-amerikanischem Neukölln aussehender Leute am Eingang des Badehauses auf dem RAW-Gelände ein, wo man auf die anwesenden Kamerateams hingewiesen wird: „Achtung, ein 3sat-Team wird filmen“, steht dort geschrieben, als würde dies irgendwen stören, und drinnen liegt stapelweise das auflagenstärkste deutsche Popmagazin, auf dessen Cover natürlich dieser Max Gruber alias Drangsal prangt.

Künstlich klingender Hall

Gegen 21 Uhr geht’s los. Drangsal auf der Bühne muss man sich in etwa so vorstellen: Vorne steht Gruber – Typ neoexistenzialistischer Bohemien, gescheitelte und gegelte Haare, Tattoos auf den Armen verstreut – und singt mit krassestem Achtziger­einschlag, auf seinen Gesang wird via Mischpult der künstlich klingende Hall dieser Zeit gepackt, was wahnsinnig perfekt klingt. Bei seiner Band in Standardbesetzung Bass, Gitarre, Schlagzeug verhält es sich ähnlich: Man hat immer das Gefühl, als habe der Mischer vor allem eine Maßgabe: Knall mal ordentlich Achtzigersound drauf! Und irgendwie glaubt man, da spielten Killing Joke, The Cure, New Order und Depeche Mode in Personalunion.

Drangsal aber haben ein ex­trem gutes Gespür für Songwriting und so viel Power, dass dieses Epigonentum nicht sonderlich stört. Auf „Harieschaim“ – der Titel verweist auf den pfälzischen Heimatort Grubers, Herxheim – gibt es richtige Hits wie „Allan Align“ oder „Will ich nur dich“, die in der Wave-Champions-League konkurrenzfähig sind. Es wird getanzt. Letzteren Song, so sagt es der inzwischen in Berlin lebende Max Gruber, könne man bald auch „für umme“ im Netz hören. „Das ist so Berlin“, schreit daraufhin jemand aus dem Publikum, und Gruber antwortet mit: „Pfff. Schnauze.“ Schon eher Berlin.

Eine Überraschung gibt es bei der Zugabe, denn da covern Drangsal Metallica, und das klingt dann ein bisschen so, als hätte die legendäre Metalband ihren Sänger James Hetfield durch Billy Idol ersetzt. Eine weitere Überraschung gibt es beim Bier danach, als eine neben mir sitzende junge Frau verkündet: „Prince ist tot.“ Sie fügt hinzu: „Ich verarsch’ dich nicht.“ Damit soll sie leider recht behalten. „Purple Rain“, „Sign o’ the Times“: achje. Auch das waren die Achtziger. Jens Uthoff