Stromkunden dürfen hoffen

Bundesgerichtshof verlangt, dass Stromkonzerne die Kalkulation ihrer Netzgebühren offen legen. Das Urteil wird Folgen haben auch für andere Monopolbranchen

BERLIN taz ■ LichtBlick-Kunden haben es gut. „Natürlich zahlen wir ihnen das Geld zurück“, verspricht LichtBlick-Prokurist Gero Lücking. Wie viel das sein wird, kann er aber noch nicht sagen. Es geht um jenen Anteil am Strompreis, der sich „Netzentgelt“ nennt.

Hintergrund: Seitdem der Strommarkt liberalisiert ist, können auch Firmen Strom verkaufen, die keine eigenen Stromnetze besitzen. Für den Transport ihres Stroms müssen sie eine Gebühr – eben das Netzentgelt – bezahlen. Die deutschen Stromnetze gehören vor allem vier Großkonzernen: Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Bisher haben sie ihre Kalkulationen nicht offen gelegt.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun am Dienstag geurteilt, dass kleine Stromanbieter gerichtlich überprüfen lassen können, wie die Netzbetreiber ihre Durchleitungsgebühren berechnen (Aktenzeichen: KZR 36/04). Die Karlsruher Richter hoben damit ein Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe auf und verwiesen den Fall dorthin zurück. Das Gericht muss nun ermitteln, ob die Mannheimer MVV Energie AG vom Ökostromanbieter LichtBlick jahrelang zu hohe Preise für die Netznutzung verlangt hat.

Prokurist Gero Lücking rechnet damit, dass die Durchleitungspreise „30 Prozent überteuert sind“. Dahinter vermutet LichtBlick eine gezielte Strategie: Die großen deutschen Stromkonzerne wollten Konkurrenten aus dem Markt drängen, indem sie ihnen überhöhte Kosten abverlangen.

Die Stromkonzerne haben diesen Verdacht stets zurückgewiesen: Die Netzentgelte seien doch von den Kartellbehörden als korrekt eingeschätzt worden. Wie die genaue Kalkulation aussieht, wollten sie aber nicht mitteilen – aus Gründen des Wettbewerbs. Lichtblick kontert: „Wir haben Belege, dass in den Netzentgelten fremde Posten eingepreist sind.“ Sportsponsoring etwa, die Betriebskosten der Kundenzentralen und sogar Aufwendungen für etwaige juristische Auseinandersetzungen.

Der Bund der Energieverbraucher bezeichnet das BGH-Urteil als einen „sensationeller Sieg für alle Verbraucher“. Edda Müller, Chefin der Verbraucherzentralen, erklärte das Urteil zum „Hoffnungszeichen für den Wettbewerb und die Binnenkonjunktur in Deutschland. Der Bundesgerichtshof hat der Macht der Strommonopole endlich klare Grenzen gesetzt.“

Doch so weit ist es noch nicht: Direkte Auswirkung auf die Verbraucherpreise hat das Urteil erst einmal nicht. „Wenn allerdings die Richter des Oberlandesgerichts unsere Auffassung teilen, dass die Netzpreise überteuert waren, kriegen unsere Kunden rückwirkend etwas raus“, so LichtBlick-Prokurist Lücking. Nicht nur in der Gegend um Mannheim: „Zahlreiche derzeit noch in den unteren Instanzen hängende Verfahren bekommen durch das Urteil eine klare Richtung“, sagt LichtBlick-Anwalt Andreas Grigoleit.

Das Urteil ist aber auch für andere Branchen bedeutungsvoll: Denn auch monopolartige Unternehmen wie die Betreiber von Flug- oder Fährhäfen müssen jetzt ihre Preise nachvollziehbar offen legen, so dass eine Diskriminierung von Nutzern ausgeschlossen werden könne. Damit werde es zu mehr Wettbewerb kommen. „Denn im Strommarkt hat man ja gesehen, wohin überteuerte Nutzungsgebühren führen“, sagt Lücking. Von den ehemals über 100 Newcomern, die nach der Liberalisierung vor sieben Jahren starteten, sind nur noch wenige übrig. NICK REIMER

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