Wenn der Strom abgestellt wird und Nager Checkpoints errichten
: Die Revolution der Mäuse
Foto: Mike Wolff
Warum so ernst?
von Aboud Saeed
Das Ziel ist dasselbe, der Feind ist kein gemeinsamer. Anfangs schliefen sie nachts gar nicht. Anfangs blieben sie Tag und Nacht wach in Erwartung der „Nacht der Käseverheißung“.
Eine Studie der Harvard University hat kürzlich belegt, dass das Hauptmotiv, das Mäuse zum Essen bewegt, nicht etwa Hunger ist, sondern Neid und Gier. Es gibt keine einzige Maus auf dieser Erde, die ihren Mitmäusen Gutes beziehungsweise Käse wünscht.
Geheimer Freiheitskampf
Deshalb galt es bis zum letzten Käsestück durchzuhalten und zu laufen. Sie pflegten ihre Köpfe aus den Wandlöchern zu stecken. Kühlschränke waren zu jener Zeit gerade ganz groß im Kommen und hatten noch richtige Macht. Deswegen war der mäusliche Freiheitskampf ein geheimer.
Aber nachdem man den Strom abgeschaltet und die Häuser bombardiert hatte und nachdem ihre Bewohner entweder tot oder geflohen waren, hatten die Kühlschränke all ihre Macht eingebüßt.
Da verkündeten die Mäuse ganz schamlos, dass sie fortan einfach am helllichten Tage draußen herumlaufen und alles, was nicht niet- und nagelfest war, anknabbern würden, und jetzt sieh selbst, wie du fortan klarkommen willst, Herr Lebensmittelverkäufer.
Die Mäuse begannen, Checkpoints aufzustellen, Überwachungskameras zu installieren, Zeitschriften zu gründen und orangefarbene Uniformen zu tragen. Sie hingen Propagandabilder auf Masten und Straßenkinder an Lanzen auf, das wurde ihr Wahlspruch, und sie bauten weiter Checkpoints.
Checkpoints und noch mehr Checkpoints.
Mäuse nagen an allem: von Flüchtlingslagern bis zum „Islamischen Staat“, der ein noch fetteres Mahl abgibt als das Regime.
Mäuse verstehen alles. Mäuse tanzen, Mäuse malen, Mäuse schreiben, Mäuse singen „Unsere teure Heimat“, Mäuse trinken Rotwein.
Die Maus kifft
Die Maus ist zwangsläufig immer säkular, und höchstwahrscheinlich kifft sie.
Die Maus liebt die Elektrizitäts- und Wasserversorgung, aber Flüchtlingslager liebt sie gar nicht. Die Maus liebt Stahlbeton.
Die Mäuse haben einen Mäuseältesten mit weißem Haar, einem langen Schwanz, Brille und Schnurrbart. Und in ein paar Jahren wird man ihn auf einen gekrümmten Stock gestützt sehen, wie der Gehstock einer alten Dame.
Mäuse lieben Holz. Beispielsweise das Holz von Theaterbühnen.
Jedem Mäuserich seine Maus.
Das Lebensalter der Mäuse hängt vom Lebensalter des Käses ab: Ohne Käse sind Mäuse sinnlos.
Die Maus täuscht vor, um den Käse zu trauern, nachdem sie ihn gefressen hat.
Vermehrung?
Legt die Maus Eier, oder gebiert sie? Die Maus wird weder geboren, noch gebiert sie. Die vermehrt sich durch Nachahmung.
Aus dem Arabischen
von Sandra Hetzl
