Am Anfang war die Elfe

Hedi Kriegeskotte, derzeit zu sehen als Erika in „Mephisto“, ist neu im Ensemble des Schauspielhauses. Wir sprachen mit ihr über Kindheitsballett und Eintagsblumen

„Ich höre jedes Rascheln und Husten im Zuschauerraum“„Talent ist eine Aufgabe, der man dienen muss“

Interview: Carolin Ströbele

Hedi Kriegeskotte kennen viele nicht nur von den Theaterbühnen in Mannheim, Bochum und Stuttgart, sondern auch aus zahlreichen Rollen in Film und Fernsehen. Seit Beginn dieser Spielzeit steht sie auf der Bühne des Schauspielhauses. Als Erika in Klaus Manns „Mephisto“ zum Beispiel. Wir sprachen mit ihr über Wechselgefühle.

taz: Was ist das Schönste für Sie am Wechsel vom Staatstheater Stuttgart ans Hamburger Schauspielhaus?

Hedi Kriegeskotte: Ich empfinde es als ein tolles Angebot, an einem Haus mit dieser Tradition und diesem Ruf ein neues Ensemble mitzubilden. Allein dieses Gebäude! Es ist wie ein weißer Schwan zwischen der trockenen Sachlichkeit um den Hauptbahnhof herum. Außerdem bin ich sehr neugierig auf das Hamburger Publikum.

Bekommt man als Theaterschauspieler immer so genau mit, was sich im Publikum abspielt?

Absolut! Ich höre jedes Rascheln und Husten aus dem Zuschauerraum. Der Zuschauer ist ja ein Beteiligter der Aufführung und ein Partner für den Schauspieler. Insofern ist jeder Zuschauer auch ein verkappter Schauspieler. Das, was er fühlt, überträgt sich auch auf die Bühne. Deshalb ist Theater nicht wiederholbar. Wie eine Blume: Einmalig und vergänglich. Ein Theaterbesuch ist eine intime Erfahrung, die jeder Zuschauer für sich ganz persönlich in Erinnerung behält.

Wann ist Ihnen klar geworden, dass sie nicht nur eine „verkappte“ Schauspielerin sind, sondern eine von ganzem Herzen?

Ich war das dritte Mädchen und sollte eigentlich ein Junge werden. Umso mehr wollte ich mich wohl schon als Kind immer „gut darstellen“. Meine Schwestern haben das zum Glück richtig eingeschätzt und gesagt: „Das Kind muss ins Ballett!“ Der Durchbruch kam, als ich auf der großen Bühne des Grillotheaters in Essen beim Märchen eine Elfe spielen durfte. Da war mir sofort klar: Da muss ich wieder hin!

Was war der schlimmste Hänger, den Sie je hatten?

Es war ein ganz eigenartiger Abend. Wir Schauspieler hatten das Gefühl, wir können das Publikum nicht erreichen. Ich hatte nun hintereinander drei Sätze, bei denen die Leute in den vorherigen Aufführungen immer gelacht hatten. Dass nach dem ersten dieser Sätze auch an diesem Abend gelacht wurde, hat mich so erstaunt, dass plötzlich jeder Text weg war. Ich hatte das Gefühl, es vergehen Jahre, bis ich schließlich den Souffleur bat: „Sag‘s mir.“ Damit war das Eis gebrochen, das Publikum lachte wieder, ging ab sofort mit und es wurde dann noch eine wirklich gute Aufführung.

Neben Ihren Rollen am Theater haben Sie auch viele TV- und Spielfilme gedreht – oft unter Sönke Wortmann. Warum?

Sönke suchte für seinen Hochschul-Abschlussfilm „3D“ eine Schauspielerin, die Ruhrpott-Dialekt spricht. Und da ich im Ruhrgebiet aufgewachsen war und damals am Theater in Bochum spielte, kam man auf mich. Später habe ich dann auch in seinen Filmen Allein unter Frauen, Kleine Haie und Der bewegte Mann mitgespielt.

In Stuttgart haben Sie auch unterrichtet. Was ist das Wichtigste, das Sie ihren SchülerInnen beibringen?

Nicht stolz auf ihr Talent zu sein, sondern es als Geschenk zu sehen und es als eine Aufgabe zu behandeln, der man dienen muss. Und dass man sich die Figuren, die man spielt, nicht genau genug erarbeiten kann.

Haben Sie sich ganz in den Dienst ihres Talents gestellt? Ist Theater das Wichtigste für Sie?

Beruflich ja, privat nicht.

Hedi Kriegeskotte ist am 24. und 26. 10. wieder in „Mephisto“ zu sehen. Beginn jeweils 19.30 Uhr