Venezuela wie eine Bombe

LATEINAMERIKA Wegen der Krise droht Präsident Maduro Unternehmern mit Enteignung, der Wirtschaftsnotstand wird um 60 Tage verlängert. Demonstrationen in Caracas

Demonstration in Caracas gegen Regierungschef Maduro Foto: Carlos Garcia Rawlins/reuters

Von Jürgen Vogt

BUENOS AIRES taz | Wenig Strom, kein Bier, kaum Essen – das Chaos in Venezuela wird immer größer. Am Wochenende drohte der linksgerichtete Präsident Nicolás Maduro Eigentümern stillgelegter Fabriken mit Haft und Enteignung, wenn sie nicht umgehend die Produktion starteten. Geschäftsleute, die sich widersetzten, riskierten, dass sie „in Handschellen gesteckt“ werden, sagte Maduro. Während die Unternehmer klagen, sie müssten wegen fehlender Importe ihre Fabriken schließen, klagt die Regierung über einen gegen sie gerichteten Wirtschaftskrieg.

In Caracas demonstrierten gleichzeitig Tausende Regierungsgegner und -befürworter. Die bürgerliche Opposition warnte Maduro davor, ein Abwahlreferendum zu blockieren. Der Nationale Wahlrat müsse endlich über die Gültigkeit von gut zwei Millionen Unterschriften entscheiden, die für das Referendum gesammelt wurden. Oppositionsführer Henrique Capriles sagte in Richtung Maduro: „Wenn Sie den demokratischen Weg versperren, wissen wir nicht, was in diesem Land passieren könnte.“ Venezuela sei „wie eine Bombe“, die jeden Moment explodieren könne.

Vizepräsident Aristóbulo Istúriz erklärte am Sonntag jedoch, in absehbarer Zeit werde es keine Abstimmung geben. Von „Unterschriften von toten Menschen und Minderjährigen“ sprach zudem der Maduro-Verbündete Jorge Rodriguez. Maduros Mandat läuft regulär 2019 ab. Erst am Freitag hatte der Präsident per Erlass den Wirtschaftsnotstand um weitere 60 Tage verlängert. Damit hat er besondere Befugnisse im Kampf gegen die Krise.

Ursache für die Misere: die historisch niedrigen Ölpreise. Nach 16 Jahren sozialistischer Regierung plagen das Land eine dreistellige Inflation, die Wirtschaft schrumpfte allein im vergangenen Jahr um 7 Prozent. Vielerorts prägen Warteschlangen und leere Regale das Bild. Anleihen können kaum noch zurückgezahlt werden.

„Es gibt Unterschriften von Toten und Minderjährigen“

J. Rodriguez, Maduro-Verbündeter

Außerdem leidet Venezuela unter der schlimmsten Dürre seit 40 Jahren. Die Wasservorräte in den 18 Talsperren reichen für die Energieerzeugung nicht aus. Deshalb wird mittlerweile fast im ganzen Land täglich der Strom für mehrere Stunden abgestellt. Hotels müssen seit Februar neun Stunden am Tag die Stromversorgung aus eigener Kraft sicherstellen. Einkaufszentren kürzten ihre Öffnungszeiten. Zudem gehört das Land seit Mai einer neuen Zeitzone an, um von einer halben Stunde mehr Tageslicht zu profitieren.

Vor wenigen Wochen hatte der größte venezolanische Lebensmittel- und Getränkehändler, Empresas Polar, seine letzte aktive Bierbrauerei geschlossen. Und dies mit fehlenden Devisen begründet, um damit Gerstenmalz zu kaufen. (mit Agenturen)