Zwangsarbeiterin weist Weg zu Daimler

NS-GESCHICHTE Das Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg entscheidet, die Straße vor der künftigen Mercedes-Zentrale nach der Künstlerin Edith Kiss zu benennen. Sie musste für den Konzern Zwangsarbeit leisten

„Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Öffentlichkeitsarbeit für die zu machen“

PAULA RIESTER, GRÜNE

VON SEBASTIAN HEISER

Die Straße an der neuen Vertriebszentrale von Mercedes-Benz wird nach einer jüdischen Zwangsarbeiterin benannt, die von 1944 bis 1945 Flugzeugmotoren für den Daimler-Konzern montieren musste. Das entschied das Bezirksparlament von Friedrichshain-Kreuzberg am Mittwochabend. Das 13-stöckige Gebäude mit Büros für 1.200 Mitarbeiter und einem Showroom für die neuesten Automodelle entsteht derzeit in Friedrichshain auf dem Mediaspree-Gelände zwischen Ostbahnhof und Oberbaumbrücke.

Mercedes-Benz konnte sich mit seinen Vorstellungen für den Straßennamen nicht durchsetzen. Das Unternehmen hatte gleich zwei Vorschläge geäußert, nach welchen Personen die Straße vor der Vertriebszentrale benannt werden könnte: Bertha Benz, Ehefrau des Unternehmensgründers Carl Benz, und Baronin Mercédès Jellinek, Namenspatronin der Automarke. Dies waren „starke Persönlichkeiten ihrer Zeit“, erläutert ein Sprecher des Mercedes-Benz-Vertriebs gegenüber der taz. „Gleichzeitig sind sie mit der Geschichte unseres Konzerns verbunden. Daher fanden wir die Vorschläge sehr passend.“

Doch für die Grünen kam das nicht infrage: „Die können ja gerne hier ihre Zentrale bauen. Aber wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, Öffentlichkeitsarbeit für die zu machen“, meint Paula Riester, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bezirksparlament.

Zunächst war daher kurz im Gespräch, ob die bisher namenlose Straße nach Ernes Merck benannt wird, die in den 1920er Jahren in Mercedes-Autos Rennen fuhr. Es waren die Piraten, die dann einen vierten Namen ins Spiel brachten: Edith Kiss.

Die Bildhauerin aus Budapest wurde 1944 wegen ihres jüdischen Glaubens mit 39 Jahren ins Konzentrationslager Ravensbrück deportiert. Im Daimler-Benz-Werk in Ludwigsfelde südlich von Berlin musste Kiss wie die anderen über 1.000 Zwangsarbeiterinnen unter unmenschlichen Bedingungen Flugzeugmotoren montieren.

Beim Berliner „Arbeitskreis Konfrontationen“, der die pädagogische Vermittlung der Geschichte des Nationalsozialismus zur Aufgabe hat, heißt es: „Edith Kiss sprach nie über ihre Erlebnisse im KZ und versuchte, mit ihrer Kunst die Erinnerungen zu verarbeiten.“ Auch ihre späteren Bilder hätten häufig die Leiden der Deportation widergespiegelt. 1966 beging sie Selbstmord.

„Wir finden es gut, an die Geschichte der Zwangsarbeiter zu erinnern und Daimler mit den dunklen Seiten seiner Geschichte zu konfrontieren“, erklärt Jessica Zinn von der Piratenfraktion im Bezirksparlament, die dort gemeinsam mit der Grünenfraktion eine Mehrheit stellt. Laut Zinn sei Bertha Benz schon deshalb nicht infrage gekommen, weil sie zunächst eine Anhängerin des Nationalsozialismus war und mit Hitler persönlich korrespondierte. Zinn: „Wir fanden es empörend, dass Daimler uns so einen Vorschlag vorgebracht hat.“

Jetzt, nachdem die Entscheidung gegen die Namensvorschläge von Mercedes-Benz endgültig ist, versucht der Konzern, gute Miene zu machen: „Es ist wichtig und richtig, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken. Daher unterstützen wir auch die Entscheidung der Bezirksverordnetenversammlung“, heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens.