Die Löcher im System

PFLEGEBETRUG Abkassiert: Patientenschützer fordern mehr Kontrollen

Auch wichtig: Erst mal schauen, ob alle noch leben Foto: Daniel Bockwoldt/dpa

BERLIN taz | Mehrere Beatmungsgeräte hatte der Pflegedienst bei der zuständigen Kasse angemeldet, inklusive etlicher Zusatzleistungen. Gedacht sind sie für eine Wohngemeinschaft von Schwerstkranken. Nachdem die Geräte bewilligt sind, fragt jedoch keiner mehr nach. Wer lebt überhaupt in der Kranken-WG? Wie werden die Patienten versorgt? Erst über einen anonymen Hinweis kommt heraus, dass hier ein Fehler vorliegt. Das Geld ist aber längst in den Händen des Pflegedienstes gelandet. Und tschüs.

Es sind Fälle wie dieser, die Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz seit Jahren unterkommen. „Betrug in der Pflege ist nichts Neues“, sagt er. „Tatbeteiligte sind Pflegedienste, Ärzte, Apotheker, Sanitätshäuser oder sogar die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen.“ Es geht um gefälschte Abrechnungen, um Leistungen, die auf den Rechnungen erscheinen, aber nie ausgeführt werden, oder schlicht um Doppelanträge bei den verschiedensten Geldtöpfen.

Das System Pflege ist anfällig für Missbrauch. Für manche Leistungen ist die Krankenversicherung zuständig, für andere die Pflegeversicherung. Kriminelle nutzen die Schwachstellen aus. Viele Fehlabrechnungen passieren auch, weil nicht jeder Angehörige weiß, wer eigentlich zuständig ist. „An der Schnittstelle zwischen Pflegeversicherung und Krankenversicherung fehlen effektive Kontrollen“, sagt Brysch. Die müsse es geben, zum Schutz der Patienten, der Beitragszahler, auch zum Schutz anständiger Pflegedienste. Wie hoch der Schaden durch solche Straftaten tatsächlich ist, lässt sich nur schwer beziffern. Brysch erstattet jedes Jahr etwa sechs oder sieben Anzeigen. Dabei geht es meist um mehrere Tausend Euro.

Die Patientenschützer haben konkrete Ideen, wie Betrug verhindert werden kann. Dazu zählt etwa die Einführung einer einheitlichen Patientennummer. Sie soll die beiden Registrierungen jeweils bei Kranken- und Pflegekasse zusammenführen und so die Überprüfung von Leistungen erleichtern. Ähnlich einfach klingt die Forderung nach einer verbindlichen elektronischen Abrechnung in der Pflegeversicherung. Die ist bei der Krankenkasse längst vorgeschrieben. Da digitale Daten aus der Pflege häufig fehlen, fallen Missstände in vielen Fällen nicht auf. Zudem fordern sie mehr Kontrollen in der häuslichen Pflege, eine Meldepflicht für Patienten in Wohngemeinschaften und mehr Experten bei Polizei und Staatsanwaltschaft.

Für Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) sind die Vorschläge nicht neu. Nach der jüngsten Aufdeckung von Betrugsfällen in Berlin hat er eine Prüfung der Kontrollmechanismen angekündigt. Auch bei der nächsten Gesundheitsministerkonferenz Ende Juni steht das Thema auf dem Plan.

Tanja Tricarico