HOCHKULTUR
: Deutsche Zauberflöte

Der Upper Class sind Cultural Studies keine Vorbedingung

Manchmal lässt der schrammelige Alltag in Neukölln in uns die Sehnsucht nach Schönheit, Kunst und bürgerlicher Kultur aufkommen. Weil Venedig ständig unter Wasser steht und der Flug nach Mailand schlimmer für das Klima und außerdem dreimal teurer ist als eine Opernkarte, fällt die Wahl nicht schwer. Nachdem uns in der Komischen Oper beim letzten Mal das prekäre Dasein in Gestalt streikender Orchestermusiker eingeholt hat, soll es jetzt die Deutsche Oper sein. „Die Zauberflöte“.

Die Inszenierung ist nicht sonderlich modern, das kommt uns für diesen Ausflug entgegen. Trotzdem fallen wir fast von den Stühlen, als Monostatos, der so ziemlich alles Böse zu repräsentieren hat, auf die Bühne schlurft: Der „Mohr“ ist ein „Schuhcreme-Neger“, ein schwarz geschminkter Sänger mit wolligen Dreadlocks. Er könnte direkt einer Minstrel Show des 19. Jahrhunderts entsprungen sein, in der angemalte Weiße Afroamerikaner als besonders doof darstellten.

Kann so was noch sein nach etlichen Debatten, nach Monotastos-Interpretationen mit Hasskappen, schwarzen Kostümen, blonden Perücken? Nach all dem Ärger im März, als Didi Hallervorden einen weißen Schauspieler einen Schwarzen spielen ließ? Es kann. Der Berliner Upper Class sind Cultural Studies keine Vorbedingung. Um uns herum wird geklatscht bis zum Schluss.

Am nächsten Tag zu Hause bei Karstadtamhermannplatz ist die Welt wieder in Ordnung. Dort verkauft Hugendubel das Buschkowsky-Buch, in dem der Bürgermeister unseres Stadtteils fordert, dass alles, was anders aussieht als er, sich zu integrieren hat. Es gibt einen Volksauflauf und etwas zu sehen: Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein beklebt die Stapel mit hübschen Zetteln, auf denen steht: „Das Problem heißt Rassismus.“ Hier klatscht der Neuköllner. JÜRGEN KIONTKE BEATE WILLMS