Lohnungerechtigkeit

Frauen verdienen immer noch weniger als Männer. In Deutschland ist der Gender Pay Gap besonders eklatant. Was kann die Politik tun?

Ein Selbst-Check im Check

TEST Firmen sollen sich selbst auf Lohndiskriminierung hin testen, so will es das Familienministerium. Zwei Berliner Unternehmen haben es bereits getan – und Schwachstellen gefunden

Ungenaue Job­beschreibungen im öffentlichen Dienst: ein Einfallstor für Diskriminierungen

BERLIN taz | Sie sind nicht fündig geworden. Die Unternehmen, die sich bereits auf ungerechte Löhne hin haben untersuchen lassen, stellten kein Ungleichgewicht zwischen Frauen- und Männerlöhnen fest.

Weder die Marienhaus-Gruppe, ein Krankenhausbetreiber, der das Programm „LogibD“ angewandt hat, noch die Messe Berlin, die das kompliziertere „eg-check“ genutzt hat. Sie haben gemacht, was Frauenministerin Manuela Schwesig (SPD) allen größeren Firmen per Gesetz verordnen möchte: ein Testprogramm nutzen, um festzustellen, ob es bei ihnen Lohndiskriminierung gibt. Alles paletti bei Marienhaus und der Messe. Warum regt sich Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer dann so auf, dass er die Bundeskanzlerin auffordert: „Das geplante Gesetz muss gestoppt werden!“?

Weil es mit einiger Sicherheit an den ProbandInnen lag. Beide nahmen in der Vorweihnachtszeit 2015 an den Pilotprojekten teil, weil sie davon ausgingen, dass bei ihnen keine Lohndiskriminierung gefunden würde. Andere TeilnehmerInnen an den Testläufen fanden keine Zeit für ein Interview. Darunter etwa ein Spielzeughersteller, der sicher nicht in der Weihnachtszeit veröffentlichen wollte, dass er Frauen und Männer unterschiedlich bezahle.

Dennoch wollen beide Firmen das Verfahren nicht missen: „Wir sind auf Strukturen aufmerksam geworden, die wir ohne den Test nicht gesehen hätten“, sagt Heribert Frieling, Pressesprecher von Marienhaus. Das Testprogramm „LogibD“, das mit den Personaldaten gefüttert wird und dann ausspuckt, wer mit welcher Ausbildung und Erfahrung und welchem zeitlichen Einsatz wie bezahlt wird, hatte ergeben, dass sehr viele Ärztinnen in Teilzeit arbeiten und weniger Karriere machen. Und da Fach- und Führungskräfte Mangelware sind, überlegte sich die Marienhaus-Gruppe zum ersten Mal, dass sie seine Chefarzt­arbeitsplätze familienfreundlicher zuschneiden musste, wollte sie mehr Frauen für diese Posten gewinnen.

Die Messe Berlin stieß auf andere Probleme. Julia Borggräfe, die für die „Human Ressources“ zuständig ist, ließ das gründlichere „eg-check“ durchführen. Dabei wird nicht verglichen, was die Menschen mitbringen, sondern welche Anforderungen ihr Arbeitsplatz stellt. Das aber war ein größeres Unterfangen, denn die ungenauen Jobbeschreibungen des öffentlichen Dienstes sind ein Einfallstor für Diskriminierungen.

Die Messe suchte sich ein eigenes, genaueres Arbeitsbewertungsverfahren. Dann machte sich eine Mitarbeiterin daran, jeden der 130 verschiedenen Jobs bei der Messe auf diese Anforderungen hin zu beschreiben. Sie brauchte ein Jahr. Nun zeigte eine Matrix, ob sie den Anforderungen entsprechend bezahlt wurden. Es tauchten Ungereimtheiten auf: Nicht primär zwischen Männern und Frauen, aber zwischen vergleichbaren Jobs. Und das immerhin bei gut einem Fünftel aller Stellen. Da hatten drei Menschen dieselben Anforderungen, waren aber in drei verschiedene Gehaltsstufen einsortiert.

Welchen der Tests die Bundesregierung vorschlagen wird, ist noch nicht klar. Beide bergen Probleme: „LogibD“ ist einfach, aber eventuell ungerecht, „eg-check“ ist kompliziert, weil dort alle Posten neu beschrieben werden müssen, bietet aber mehr Chancen auf Gerechtigkeit. Julia Borggräfe ist deshalb noch nicht ganz zufrieden: „Das Verfahren ist zu aufwendig, kleinere Unternehmen werden das kaum selber schaffen.“ Sie schlägt vor, Beschreibungen für Standardfunktionen in einer Datenbank zur Verfügung zu stellen. Unternehmen hätten dann die Möglichkeit, die Standardprofile als Basis zu nutzen und diese nur noch ihren jeweiligen Besonderheiten anzupassen. Damit könnten sie sich viel Aufwand ersparen. Heide Oestreich