Die Rote Wand

Theater In Trier endet ein Stück über Kommunikation in gegenseitigen Vorwürfen

Fundstelle der Leiche von Tanja Gräff in Trier Foto: picture alliance

Trier ist die älteste Stadt Deutschlands, mehr als 2.000 Jahre alt. Etwas in die Jahre gekommen war auch lange das Image des örtlichen Theaters. Das änderte sich 2015, als der Österreicher Karl Sibelius die Generalintendanz des Hauses übernahm: Erst einmal alles Personal gekündigt, dafür eine namhaftes Ensemble unter neuer Leitung in die Stadt gebracht. Die überregio­nale Kulturpresse hat Trier wiederentdeckt und lobt die neuen Stücke. Doch nun ist das Theater wieder im Gespräch – wegen etwas ganz anderem.

In Trier ist ein Streit um das Stück „Die Rote Wand“ entbrannt, die Rollenverteilung ist unklar. Der Intendant ist sauer auf seinen Schauspielleiter, dieser wiederum findet das Verhalten seines Intendanten „nicht nachvollziehbar“. In dem Stück „Die Rote Wand“ sollte es Schauspielleiter Ulf Frötzschner nach um die gesellschaftlichen Reaktionen auf das Verschwinden einer Person gehen. „Ausgangspunkt war der Fall Tanja Gräff“, hieß es bei der Vorstellung des Stücks im Rahmen der Präsentation des neuen Spielplans. Doch heißt das nun, dass das Spiel das Schicksal der konkreten Person behandelt? Und muss dazu die Mutter der Verstorbenen kontaktiert werden?

2007 war die damals 21-jährige Studentin Tanja Gräff aus Trier verschwunden. Der Fall hatte bundesweit Aufsehen erregt. Erst 2015 wurde Tanjas Leiche gefunden. Bis heute ist unklar, ob es Mord oder Unfall war.

„Als ich vor zwei Jahren das erste Mal nach Trier kam, merkte ich, wie omnipräsent der Fall Tanja war, wie emotio­nal hier drauf reagiert wurde, noch fast 10 Jahre später. Das war etwas. das mich als Theatermacher inspiriert hat, diese verschiedenen Reaktionen, im Netz, im echten Leben, in der Presse. Das wollte ich nicht versickern lassen“, sagte Frötzschner der taz.

Doch die Reaktionen der lokalen Bevölkerung und Presse waren erneut emotional. „Wie kann man darüber ein Stück machen?“, äußerten sich viele empört in sozialen Netzwerken und Leserkommentaren. Und auch die Mutter von Tanja meldet sich via Anwalt zu Wort. „Sie möchte nicht, dass ihre Tochter beziehungsweise der Fall Tanja Gräff nun auch noch in einem Schauspielhaus inszeniert wird“, teilte der mit.

Schauspielleiter Frötzschner ist überrascht: Er habe die Mutter kontaktiert und ihr zugesagt, sie, wenn sie das wolle, an jedem Schritt am Stück teilhaben zu lassen. Dass auf seine Mail keine Antwort kam, habe er als Zustimmung gedeutet. „Zudem sollte das Stück abstrakt werden. Nur Reaktionen auf solche Fälle betrachten, auf keinen Fall den Fall auseinandernehmen.“ Besonders verwundert ihn aber auch, dass sein Intendant das Stück streicht: „Er war in jeden meiner Schritte involviert.“

Intendant Karl Sibelius gibt sich wiederum selbst bestürzt. „Frötzschner ist ein toller Theatermacher. Aber es gab zwei Möglichkeiten, das Stück anzugehen. Entweder das Ganze absolut assoziativ zu behandeln oder konkreter zu werden und die Mutter ins Projekt mit einzubinden.“ Frötzschner habe sich für Letzteres entschieden, aber dann kein richtiges Einverständnis eingeholt. Im Streit der beiden hat sich die Stadt am Dienstag hinter Intendanten Sibelius gestellt. Die Zukunft von Schauspielleiter Frötzschner ist hin­gegen offen. Alina Leimbach