heute in hamburg
: „Es geht um’s Überleben“

Syrien Vortrag über das Leben und die Rolle der syrischen Zivilgesellschaft in Zeiten des Kriegs

Ruham Hawash

Foto: privat

28, ist Mitbegründerin der Organisation „Citizens for Syria“, die sich für Menschenrechte und Frieden in Syrien einsetzt.

taz: Frau Hawash, Ihre Organisation beschäftigt sich mit der syrischen Zivilgesellschaft. Wann waren Sie das letzte Mal dort und haben mit den Menschen gesprochen?

Ruham Hawash: Ich war das letzte Mal im Jahr 2012 in Syrien, in Damaskus. Aber wir stehen in dauerhafter Verbindung mit Menschen aus allen Teilen des Landes.

Was berichten sie Ihnen?

Dass es der syrischen Bevölkerung schlecht geht, sehr schlecht. In vielen Gebieten haben sie keinen Zugang zu Nahrung und Trinkwasser, die Kinder können nicht zur Schule gehen und die Krankenhäuser wurden zum Teil systematisch zerbombt. In manchen Gebieten geht es den Leuten aber auch besser.

Wo?

In den von Kurden kontrollierten Teilen haben die Leute besseren Zugang zu Trinkwasser und Nahrung. Dort ist die In­frastruktur auch eher erhalten. Demokratie gibt es aber auch da nicht, geschweige denn Stabilität.

Haben die Menschen noch Hoffnung, dass Demokratie und Stabilität irgendwann kommen?

Im Moment geht es vielen nur darum, zu überleben. Das ist für die meisten wichtiger als politische Visionen. Es gibt vor allem Bürgergruppierungen, die sich um die Grundversorgung aller Zivilisten kümmern. Teilweise gibt es aber auch kleine Gruppen, die weiterhin an Demokratie glauben und sich besonders dafür einsetzen möchten.

Ist das gefährlich?

Ja. Gerade in den von der Regierung kontrollierten Gebieten.

Glauben Sie daran, dass Frieden und Demokratie in Syrien einkehren werden?

Ich hoffe es. Die Syrer hoffen es auch. Doch bis sich tatsächlich etwas ändert, muss noch sehr viel passieren. Zum Beispiel sollten die Akteure in diesem Konflikt mal anfangen, auch an die Zivilisten zu denken. Die meisten Europäer sind sich ihrer Relevanz nicht bewusst.

Wie meinen Sie das?

Ich habe das Gefühl, dass den meisten Menschen hier in Deutschland und in ganz Europa überhaupt nicht klar ist, wie gefährdet alle Syrer sind. Es wird immer nur über den Krieg und seine Akteure gesprochen, aber nicht darüber, wen dieser Krieg eigentlich am stärksten trifft. Die syrische Bevölkerung ist einfach unterrepräsentiert in den Medien und der öffentlichen Diskussion. Ich wünsche mir, dass sich das ändert.

Interview: Antonia Stille

Vortrag „Gegengewichte zum Krieg: Die Zivilgesellschaft“: 19 Uhr, Werkstatt 3, Nernstweg 34