Hilfe und Selbsthilfe

ONKOLOGIE Komplementärmedizinische Anwendungen wie Akupunktur und Homöopathie helfen, die Begleiterscheinungen einer Krebstherapie zu lindern

Klinikclowns können nicht heilen, aber für einen Augenblick vergessen machen Foto: Andree Kaiser/Caro

von Susann Schlemmer

Diagnose Krebs! Ein Schock für die Betroffenen. Neben Angst und Unsicherheit vor dem, was jetzt auf sie zukommt, fürchten viele Patienten auch die Nebenwirkungen einer Chemo- oder Strahlentherapie wie chronische Müdigkeit, Schlafstörungen oder Übelkeit. Zwischen 50 und 70 Prozent der Patienten wenden, um solche Begleiterscheinungen zu therapieren, komplementäre, sprich ergänzende Heilmethoden an. Dazu zählen Therapiesysteme wie traditionelle chinesische Medizin (TCM) oder Naturheilverfahren, aber auch Einzelverfahren wie zum Beispiel die Aromatherapie.

Für Patienten bedeutet die Anwendung von komplementären Verfahren zudem, dass sie selbst aktiv werden können – dadurch verringert sich das Gefühl des Ausgeliefertseins. Drei von vier Krebspatienten tun dies allerdings, ohne sich mit ihrem Arzt auszutauschen. „Die Anwendung von begleitenden Verfahren sollte aber immer mit dem behandelnden Onkologen besprochen werden, um mögliche Wechselwirkungen oder toxische Schäden zu vermeiden“, erklärt Friedemann Schad, Leiter des Onkologischen Zentrums, Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe. Eine einheitliche Definition, was konkret unter komplementären Heilmethoden verstanden wird, gibt es (noch) nicht. „Komplementärmedizin umfasst ein breites Spektrum unterschiedlicher Verfahren, die ergänzend zur konventionellen Medizin angewendet werden“, so Sigrid Heinze, Geschäftsführerin der Hufelandgesellschaft, dem Dachverband der Ärztegesellschaften für Naturheilkunde und Komplementärmedizin.

Diese komplementärmedizinischen Verfahren sind – im Gegensatz zu Verfahren der Alternativmedizin – vielfach wissenschaftlich untersucht. Sie lehnen die Schulmedizin nicht ab, sondern ergänzen oder verbinden beide Therapien. Ärzte öffnen sich diesen Therapieformen zunehmend; konkrete Zahlen, wie viele Onkologen damit arbeiten, gibt es nicht.

Wie komplementäre Verfahren in der Onkologie eingesetzt werden, erläutert György Irmey, ärztlicher Direktor der Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr: „Eine begleitende komplementärmedizinische Behandlung unterstützt die Selbstheilungskräfte und hilft, Rückfälle zu verhüten.“ Übelkeit und Erbrechen zählen zu den meistgefürchteten Nebenwirkungen. Akupunktur kann starkes Erbrechen während einer Chemotherapie vermindern, Akupressur hilft Übelkeit zu verringern.

Die Gesellschaft für Biologische Krebsabwehr e. V. (GfBK) in Heidelberg bietet unter der Telefonnummer (0 62 21) 13 80 20 individuelle Beratung an.

Zum Weiterlesen empfiehlt sich der Ratgeber „Gemeinsam gegen Krebs: Naturheilkunde und Onkologie – Zwei Ärzte für eine menschliche Medizin“ von Prof. Dr. med. Gustav Dobos, Dr. med. Sherko Kümmel (ZS Verlag GmbH, 1. Auflage 2011, 280 Seiten, 24,95 Euro).

Auf der Webseite www.krebsgesellschaft.de hat die Deutsche Krebsgesellschaft e. V. umfangreiche Informationen zum Thema und zahlreiche Beratungsangebote zusammengestellt.

Etwa zwei Drittel aller Krebspatienten leiden an chronischer Müdigkeit (Fatigue Syndrom). „Diese kann mit Bewegung im aeroben Bereich wie leichtem Ausdauertraining und Akupunktur positiv beeinflusst werden“, erklärt Schad. Häufig treten zudem Schlafstörungen auf, welche mit Verfahren aus der Aromatherapie verbessert werden können – wie etwa einer Lavendelöl-Auflage auf der Brust oder Keimzumpenblättern aus der Homöopathie. Als Folge einer Bestrahlung kann es zu Entzündungen der Mundschleimhaut (Mukositis) kommen, die mit homöopathischen Traumeel-Tropfen oder Sanddornfleischöl aus der Phytotherapie gelindert werden können. Der psychischen Belastung durch eine Krebserkrankung kann mit der Mind-Body-Medizin (MBM) begegnet werden, die von einer Einheit zwischen Körper, Geist und Seele ausgeht. Nachweislich angst- und stressmildernd wirken sich Achtsamkeitsübungen und Yoga aus.

Eine ausgewogene, gesunde Ernährung sollte stets Teil einer Krebstherapie sein. Die Annahme, Kohlenhydrate seien besonders schädlich, wird ambivalent diskutiert. Die sogenannte ketogene Ernährung, die kohlenhydratarm und fettreich ist, soll begleitend zur Chemotherapie Tumorerkrankungen positiv beeinflussen. Dies ist aber nicht hinreichend wissenschaftlich belegt. „Zwar verstoffwechseln Tumorzellen bevorzugt Glukose. Wenn aber während einer Krebstherapie auf Kohlenhydrate verzichtet wird, stellen die Zellen ihren Stoffwechsel um und beziehen Glukose aus Fetten und Proteinen. Dies bedeutet wiederum einen Muskelabbau, der mit Gewichtsverlust verbunden ist und unbedingt vermieden werden sollte“, erklärt Onkologin Jutta Hübner von der Deutschen Krebsgesellschaft. Dennoch sollten komplexe Kohlenhydrate, wie sie zum Beispiel in Hülsenfrüchten enthalten sind, den einfachen Kohlenhydraten aus Haushaltszucker vorgezogen werden.

Seriöse Informationen über komplementäre Behandlungsangebote erhalten Interessierte in Krebszentren und Fachgesellschaften. Experten warnen eindringlich vor Heilsversprechen aus dem Internet, bei denen etwa durch die Gabe einer Kräutermischung der Krebs geheilt werden soll. „Grundsätzlich sollten keine Angebote aus dem Internet wahrgenommen werden. Dort werden viele unseriöse Anwendungen und Produkte angepriesen, die sogar lebensgefährlich sein können“, rät Sigrid Heinze.