crime scene
: „Gefährliche Mission“ von Oliver Schröm und Reggie Nadelsons Thriller „Russische Verwandte“

Der Mann mit dem Pseudonym Richard Böttcher ist der angeblich „erfolgreichste deutsche Terrorfahnder“ aller Zeiten. Er ist Carlos auf die Spur gekommen, er ist bis ins Herz von Al-Fatah vorgedrungen, und er hat in Beirut den wichtigsten Zeugen für die Landshut-Entführung aufgespürt. Böttcher ist eine Legende, aber seine Existenz ist so geheim, dass selbst im BKA nur wenige Menschen etwas über ihn wissen. Das aber hat ihn nicht gehindert, dem Journalisten Oliver Schröm für den Dokuthriller „Gefährliche Mission“ sein abenteuerliches Leben zu erzählen. „Eines weiß Böttcher immer, egal wie viel er am Abend zuvor getrunken hat“, so Schröm unter anderem: „Wie sein Tarnname lautet und mit welcher Legende er unterwegs ist.“

„Gefährliche Mission“ schildert größtenteils Ereignisse der Achtziger- und Neunzigerjahre. Die weltweite Fahndung nach Terroristen gestaltet sich hier wie eine Art Katz-und-Maus-Spiel, und die größten Probleme in der Welt von Böttcher sind die Inkompetenz der Vorgesetzten und die mangelnde Absprachen der verschiedenen Dienststellen. Auch das Versprechen, mit Informationen über „bislang streng geheim gehaltene internationale Terror-Operationen“ aufzuwarten, klingt wie das Echo einer vergangenen Zeit: Seit dem 11. September ist die „Wahrheit“ über den Terrorismus hinter staatlicher Propaganda, unzähligen Verschwörungstheorien und dem Gefühl einer diffusen Bedrohung zurückgetreten.

Genau von dieser Paranoia erzählt die amerikanische Autorin Reggie Nadelson in ihrem Thriller „Russische Verwandte“. Die Anschläge des 11. 9. liegen bereits einige Zeit zurück, aber immer noch liegt eine düstere Stimmung über New York: „Der Krieg braute sich zusammen. Die Wirtschaft war im Keller. Der Absturz der Raumfähre. Die Heckenschützen in Washington. Homeland Security, diese dämlichen Spinner, die keine Ahnung davon hatten, wie man eine Stadt schützt, und nur allen Angst einjagten.“

Art Cohen hat zwei Jahre lang in der Abteilung für Terrorismusbekämpfung des New York Police Department gearbeitet, und seit er an Ground Zero Asbest eingeatmet hat, macht seine Lunge nicht mehr mit. Jetzt ist er von einem Albtraum in den nächsten gewechselt und arbeitet für eine Sonderkommission, die sich um Verbrechen an Kinder kümmert: „Missbrauch, Verstümmelungen, Pornoringe“. In Brighton Beach sind die blutigen Kleider eines Mädchens gefunden worden, und Cohen macht sich auf die Suche – zuerst nach einem Opfer und dann nach einem Täter.

Die Ermittlungen führen ihn in die Kreise der russischen Einwanderer, die in Brooklyn leben und manche Straßen in einen „schrägen Abklatsch der alten Sowjetunion“ verwandelt haben. Art Cohen, der eigentlich Artemi mit Vornamen heißt, kennt sich hier besser aus, als ihm lieb ist: Er ist vor vielen Jahren aus der UdSSR über Israel in die USA eingewandert. Seine russische Vergangenheit, die er am liebsten vergessen möchte, holt ihn jetzt nach und nach wieder ein.

In Reggie Nadelson Thriller ist es nur ein kurzer Weg von der verzweifelten Nostalgie der russischen Einwanderer bis zur amerikanischen Depression des frühen 21. Jahrhunderts, in der der Mord an einem Kind genauso wie der Terrorismus und seine hysterische Bekämpfung allein die Symptome einer kranken Gesellschaft sind. „Wo man auch hinschaut, das Reich bekommt immer mehr Risse, und es kommt immer mehr Scheiße zum Vorschein“, sagt Dubi Petrowski, ein Antiquar, der eine Vorliebe für historische Verfallsszenarien hat. „Welches Reich?“, fragt ihn Cohen, aber er ahnt bereits, wie die Antwort aussehen wird: „Russland. Amerika.“ KOLJA MENSING

Reggie Nadelson: „Russische Verwandte“. Aus dem Amerikanischen von Claudia Feldmann. Piper, München 2005, 396 S., 14 EuroOliver Schröm: „Gefährliche Mission“. Scherz Verlag, Frankfurt am Main 2005, 319 S., 19,90 Euro