Krokodile am Fluss

AUSSTELLUNG Kein falscher Glaube an die Natur: Die Hamburger „Galerie für Landschaftskunst“ ist zu Gast im Kunstverein Langenhagen

Aus Hamburg hört man seit den frühen 90er-Jahren immer wieder von den Aktionen einer Künstlergruppe mit dem Namen „Galerie für Gegenwartskunst“ (GFLK). Eine Galerie im eigentlichen, im kommerziellen Sinne ist die GFLK nicht, auch wenn sie über Jahre im Galeriehaus in der Admiralitätstraße auf der Hamburger Fleetinsel ihre Räume hatte. Den Aktionen der Gruppe widmet zurzeit der Kunstverein Langenhagen eine sehr sehenswerte Ausstellung.

Man fragt sich im ersten Moment, was das überhaupt sein soll: Landschaftskunst – diese Irritation ist sicher intendiert. Naheliegend ist der Gedanke an Landschaftsverschönerung. Darum allerdings geht es bei den gemeinsamen Arbeiten der mehr als 20 Künstlerinnen und Künstler umfassenden Gruppe keineswegs. Das Missverständnis fängt eigentlich dort schon an, wo man Natur und Kultur versucht, voneinander zu scheiden: die natürliche Landschaft hier, die gesellschaftliche Kunst da. Im Gegenteil wird Landschaft hier selbst als kulturelles Ding verstanden. Das liest man in den Texten der GFLK, man kann es aber auch sehen.

Zwei Projekte der GFLK hat Ursula Schöndeling, Leiterin des Kunstvereins und Kuratorin der Ausstellung, zusammen mit den Künstlerinnen und Künstlern ausgewählt. Besonders an den Orten, an denen sich diese immer noch nicht abgeschlossenen Aktionen abspielen, merkt man, wie sehr Landschaft etwas von Menschen gemachtes ist: Emscher und Süderelbe. Zunächst ist keine der beiden Landschaften ohne ihre Geschichte verständlich, ohne zivilisatorische Prozesse.

Die Emscher galt lange Zeit als schmutzigster Fluss Deutschlands, man nannte sie die „Kloake des Ruhrgebiets“. Die Verschmutzung hängt mit der Absenkung des Flussbettes durch den Kohlebergbau zusammen. Seit einigen Jahren versucht man den Fluss zu renaturieren, das Flussbett soll wieder angehoben werden.

Auch die GFLK ist seit 2006 an diesen Vorhaben beteiligt, am Emscher-Ufer, ungefähr bei Dinslaken, bekam die Gruppe ein kleines Stück Land zur Verfügung gestellt. In Langenhagen ist nun, eingebaut in ein Kasperletheater, ein Film zu sehen, in dem man einer dieser Maßnahmen beiwohnen kann. Es ist die Teufelsaustreibung vom Künstler Stephan Dillemuth: Zwei Männer spielen Geige und Akkordeon, während der Künstler im Priestergewand die Austreibung am gebeutelten Stück Erde vornimmt. Ein anderes Video zeigt den Künstler Till Krause auf einem Fahrrad, der so einen großen Fisch aus Plastik ausgeschnittenen Fisch von Hamburg zur Emscher transportiert – um dort die Fischpopulation anzukurbeln.

Das Projekt „Freie Flusszone Süderelbe“ hat zunächst eine ähnliche Voraussetzung: ein am Fluss gelegenes Stück Land wird für alle Nutzung gesperrt und der Künstlergruppe überlassen. Auf Höhe Hamburg spaltet sich die von Südosten kommende Elbe für einige Kilometer; am südlichen Arm sind seit 2011 Künstlerinnen und Künstler der GFLK aktiv: Was würde geschehen, wenn man den einen Arm aus der ökonomischen Nutzung herauslösen würde, das fragt die Gruppe im Internet. „Was würde dann hier geschehen und welch ein neuartiger Stadt- und Landschaftsraum könnte sich entwickeln?“

Das Vorhaben thematisierten die Künstlerinnen und Künstler auf großen Werbeschildern in der Stadt, eines ist direkt vor dem Kunstverein aufgerichtet. Bob Braine hat ein Verkehrsschild nachempfunden: Rechts zwei gerade Pfeile für den befahrenen Elbbogen, links der stillgelegte Arm – die Süderelbe –, gekreuzt von vielen kleinen Kurven, die aussehen wie fröhliche Aale. Ihre Querlinien haben fast etwas Utopisches. Ausgesprochen utopisch auch das Plakat der Künstlerin Nana Petzet: Sie hat an die Elbbiegung ein Krokodil gesetzt – ein ausgestopftes, hinter Glas. RADEK KROLCZYK

bis 7. August, Kunstverein Langenhagen

Der Autor ist Betreiber der Galerie K