Europa muss sich öffnen
: Kommentar von Dominic Johnson

Die Idee stimmt: Europa braucht ein Gesamtkonzept für den Umgang mit seinem Nachbarkontinent Afrika. Bisher gibt es das nicht, sondern man begegnet dem Phänomen der zunehmenden Arbeitsmigration von Süd nach Nord mit Abschottung. Das schürt die Probleme, statt sie zu lösen. Ohnehin brauchen Afrikas Krisen ein stärkeres internationales Engagement, wenn es nicht zu neuen Völkermorden kommen soll. Und die ehemaligen europäischen Kolonialmächte haben eine große historische Verantwortung gegenüber den von ihnen ins Leben gerufenen afrikanischen Staatswesen, die sie gegenwärtig nicht wahrnehmen.

Aber was die Kommissare der Europäischen Union nach ihren Beratungen mit ihren Amtskollegen der Afrikanischen Union gestern vorgelegt haben, ist widersprüchlich. Schienen- und Straßennetze, Wasser- und Energieversorgung wollen die Europäer in Afrika bauen. Das soll afrikanische Exportprodukte – aber wohl nicht afrikanische Arbeitskräfte – schneller auf die Weltmärkte bringen, heißt es. Außerdem sollen Afrikas staatliche Institutionen reformiert und Seuchen bekämpft werden. Das soll die Ursachen für Migration beseitigen.

Wenn das alles funktionieren würde, hätte die europäische Kolonialzeit in Afrika ein voller Erfolg sein müssen, denn genau dies war einst die Politik der Kolonialreiche: Afrika als effizient verwalteter, virenfreier Rohstofflieferant für die Weltmärkte. Afrikas Krisen lassen sich aber nicht pauschal auf ungenügende Absatzmärkte für Exportprodukte zurückführen. Man darf überdies daran zweifeln, dass ausgerechnet in der EU-Kommission die richtigen Lehrer für Afrikaner auf der Suche nach Reformen sitzen. Letztendlich bedeutet das EU-AU-Paket die Quadratur des Kreises: Afrika soll für die Weltwirtschaft geöffnet werden – damit die Afrikaner zu Hause bleiben.

Eine wahre Partnerschaft zwischen Europa und Afrika kann nicht auf der Ebene überstaatlicher Bürokratien entstehen. Sie muss von unten wachsen, im Ideenaustausch zwischen Europäern und Afrikanern und in gemeinsamer Arbeit. Dafür sind Migranten kein Hindernis, sondern die Avantgarde. Diesen gedanklichen Sprung nach vorn hat die EU gestern verpasst.