„Es betrifft immer alle“

Klimawoche Klimaforscher Mojib Latif über die Klimaerwärmung in Norddeutschland

Mojib Latif

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61, ist Meteorologe und Klimaforscher. Er lehrte an der Universität Hamburg und ist seit 2003 Professor am Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel.

taz: Herr Latif, warum verändert sich das norddeutsche Klima zurzeit?

Mojib Latif: Das hängt davon ab, welchen Zeitraum Sie betrachten. Das Klima verändert sich immer, aber vor allem durch den Menschen hat es sich in den vergangenen 100 Jahren erwärmt. Wir blasen immer mehr Treibhausgase in die Atmosphäre, die sich überall auf der Erde verteilen.

Welche Auswirkungen hat das auf die Natur?

Im Detail können wir das nicht vorhersagen, dafür sind die biologischen Systeme zu komplex. Beispielsweise werden Wetterextreme wie Starkregen häufiger. Klar ist auch, dass die Temperaturen und die Meeresspiegel ansteigen. In den letzten 100 Jahren ist der Meeresspiegel an der Nordsee um 20 Zentimeter angestiegen.

Was können die Bewohner an den Küsten tun?

Sie können die Deiche höher bauen, aber das geht auch nur bis zu einem bestimmten Maß. Wenn es keinen ernsthaften Klimaschutz gibt, dann kann der Meeresspiegel über die Jahrhunderte um mehrere Meter ansteigen. Deiche können uns davor nicht mehr schützen.

Also ist die Klimaerwärmung auch für Menschen gefährlich?

Ja, wie zum Beispiel bei Hitzeperioden. Wenn es dauerhaft deutlich über 30 Grad warm ist, schadet das dem Körper. Wir sehen immer wieder, dass dann viele Menschen sterben.

Was können wir tun?

Kurzfristig wenig. Aber es wäre wichtig, den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Das muss weltweit passieren. Es ist egal, wo die Gase in die Luft gelangen: Es betrifft immer alle. Voriges Jahr haben die Vereinten Nationen auf der Pariser Klimakonferenz beschlossen, die Erderwärmung auf unter zwei Grad zu begrenzen. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen.

Demnach tut die Politik zu wenig?

Natürlich. Das Thema ist seit Anfang der 1990er-Jahre auf der politischen Agenda. Im gleichen Zeitraum stieg der weltweite Ausstoß von Kohlenstoffdioxid um 60 Prozent. Weiter können Anspruch und Wirklichkeit nicht auseinanderliegen. Aber auch die Bürger sollten nicht immer auf die Politik schimpfen, sondern selbst etwas tun: Energie sparen und öffentliche Verkehrsmittel nutzen.

Welche Ziele sind für die nähere Zukunft realistisch?

Bis 2050 könnten wir in Norddeutschland kein Kohlenstoffdioxid mehr ausstoßen, wenn die Politik es wirklich will.

Ist das Problem überhaupt präsent genug?

Nein. Das Klima reagiert mit Zeitverzögerung. Deswegen merken wir noch nicht die schlimmen Veränderungen. Färbte sich der Himmel auf einmal rot, würden wir sofort reagieren. Aber diese Bedrohung ist nicht da. Das wiegt uns in scheinbarer Sicherheit.

INTERVIEW: Johanna von Criegern

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