Schröder geht, Steinbrück soll kommen

Kanzler macht klar, er werde der nächsten Regierung „definitiv nicht angehören“. Ex-NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück Favorit für das Finanzministerium. SPD-Fraktionsvize Stiegler will Merkel zur Kanzlerin wählen, „auch wenn die Hand blutet“

BERLIN ap/dpa/rtr/taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) ist erneut Spekulationen entgegengetreten, er könnte einen Ministerposten in der großen Koalition annehmen. „Ich werde der nächsten Bundesregierung nicht angehören. Definitiv nicht angehören“, sagte Schröder gestern bei einem Gewerkschaftskongress. Er bekräftigte jedoch, dass er an den Koalitionsverhandlungen mit der Union teilnehmen werde, die am Montag beginnen. Er wolle die neue große Koalition „wirklich unterstützen, mit allen Kräften, die ich habe, und das ist jetzt nicht als Drohung gemeint“.

Der scheidende Kanzler hatte bereits zuvor erklärt, er nehme für sich in Anspruch, „dass wir die Weichen in die richtige Richtung gestellt haben. Jetzt müssen andere daran arbeiten, dass der Zug auf diesen Weichen die Fahrt aufnehmen kann.“ Er verteidigte die Agenda 2010, mit der „wirklich etwas auf den Weg gebracht worden sei“. Diese Reformen seien „notwendig und richtig“. Sozialer Frieden müsse auch weiterhin ein Aushängeschild des Standorts Deutschland sein.

Als anstrebenswerte Ziele einer neuen Regierung nannte er eine Senkung der Lohnnebenkosten, die Vereinfachung des Steuerrechts und eine grundlegende Reform der Unternehmensbesteuerung. In den Koalitionsverhandlungen wolle er ferner durchsetzen, dass auch künftig keine deutschen Soldaten in den Irak entsandt werden. Darüber hinaus bekannte sich Schröder zum Atomausstieg, zur weiteren Förderung der Kohle sowie zum Erhalt der Tarifautonomie und der steuerfreien Zuschläge für Nacht- und Sonntagsarbeit.

In der SPD hat man sich inzwischen mit dem Abschied Schröders abgefunden. Selbst die entschiedensten Gegner von CDU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel beginnen sich mit der designierten Regierungschefin zu arrangieren. So erklärte Fraktionsvize Ludwig Stiegler, trotz aller Kritik werde er nun Merkel unterstützen. Sollten SPD und Union sich auf eine Koalition einigen, werde er bei der Kanzler-Wahl mit für Merkel stimmen, „auch wenn die Hand blutet“. Stiegler sagte zur Erklärung: „Ich habe weiß Gott mit aller Kraft für einen Kanzler Schröder gekämpft. Aber wenn es keinen Kanzler mehr gibt, für den man kämpfen kann, muss man sich auf die neue Lage einstellen.“

Der ehemalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Peer Steinbrück ist nach Angaben aus SPD-Kreisen klarer Favorit für das Amt des Bundesfinanzministers. Zwar sei noch keine endgültige Entscheidung gefallen, doch laufe derzeit alles auf Steinbrück hinaus, hieß es gestern. Die gesamte Verteilung der Ministerämter innerhalb der SPD hänge vor allem davon ab, ob Parteichef Franz Müntefering ins Kabinett wechsele oder Fraktionsvorsitzender bleibe. Die Entscheidung werde wohl im Laufe der Woche fallen, möglicherweise schon bei der heutigen SPD-Präsidiumssitzung.

Merkel wiederum soll ihre Parteifreunde davor gewarnt haben, die eigene Verhandlungsposition zu schwächen. In einer Sitzung des Fraktionsvorstands appellierte sie nach Angaben von Teilnehmern, vor Abschluss der Verhandlungen mit der SPD nicht noch weitere Unionspositionen frühzeitig aufzugeben. Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) hatte bei den Sondierungsgesprächen signalisiert, dass die Union nicht mehr auf Änderungen im Tarifrecht bestehe. CSU-Chef Edmund Stoiber hatte Abstand von der Gesundheitsprämie genommen.