Clement wird nicht nachvermittelt

Der Nochwirtschaftsminister feiert „Zwischenbilanz“ des Ausbildungspakts. Doch die Zahl der Lehrstellenverträge ist zurückgegangen. Bis Dezember müssen noch 40.900 Jugendliche vermittelt werden. Aber Clement ist jetzt ja Privatmann

AUS BERLINULRIKE WINKELMANN

Es sei „schwierig, nicht in Euphorie zu verfallen“, sagte Peter Clever, Chef des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit (BA) und Vertreter des Arbeitgeberverbandes BDA. Doch sei mit dem Ausbildungspakt eine derart „erfolgreiche neue Spurrille gelegt“ worden, dass Clever sich eben kaum noch halten konnte. Man müsse jedoch aufpassen: „Denn Euphorie führt zu Selbstzufriedenheit.“

Mit diesem Satz war über die gestrige „Zwischenbilanz“ des Ausbildungspakts schon eine Menge gesagt. Arbeitgeber, BA-Vertreter sowie Wirtschafts- und Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) präsentierten zum Beginn des Ausbildungsjahres vor allem eine Zahl: Es gebe mit 40.900 jungen Leuten „erstmals seit vier Jahren einen Rückgang an unvermittelten Bewerbern“, erklärte Heinrich Alt, Vize-Vorstand der BA. Bis Dezember werde kräftig „nachvermittelt“, versprach Clement. Alle auf dem Podium waren sich einig, dass der Ausbildungspakt unter einer neuen Regierung fortgeführt werden müsse.

Ein wenig musste Alt den Arbeitgebervertreter Clever dennoch bremsen. Im Osten Deutschlands jedenfalls sehe er „keinen Grund zur Euphorie“, sagte er. Hier kommen auf eine Lehrstelle derzeit dreizehn unversorgte Schulabgänger. Und übrigens verließen immer noch 100.000 Jugendliche pro Jahr ohne Abschluss die Schule, erwähnte Alt. So gestand auch Clever zu, dass künftig die Kultusminister in die Pflicht genommen werden müssten.

Der Ausbildungspakt sollte Mitte 2004 ein Gesetz für eine Abgabe nicht ausbildungswilliger Betriebe verhindern. Die Wirtschaft verpflichtete sich, bis 2006 jährlich 30.000 neue Lehrstellen zu schaffen, um die Ausbildungslücke zu schließen. Allerdings enthielt der Pakt nichts darüber, wie viele Lehrstellen gleichzeitig abgebaut würden. Dennoch wurde 2004 das Plansoll leicht übererfüllt: Unter dem Strich standen 15.000 zusätzliche Lehrstellen.

Doch 2005 wird das Ergebnis anders aussehen, erklärt Joachim Gerd Ulrich vom Bundesinstitut für Berufsbildung in Bonn. Die von Clement und den anderen Paktierern befeierte gesunkene Zahl unvermittelter Bewerber sei „schlicht nicht nicht aussagekräftig“. Die Jugendlichen würden von der BA in die Arbeit beziehungsweise Arbeitssuche gedrängt und so in der Statistik verschoben. Bei Industrie-, Handels- und Handwerkskammern seien gegenwärtig insgesamt 27.000 weniger Lehrstellenverträge abgeschlossen worden als 2004 zur selben Zeit. Dies verheiße nichts Gutes für das Jahressaldo im Dezember 2005.

Die grüne Bildungspolitikerin Grietje Bettin möchte Clement den reklamierten Erfolg nicht gönnen. Sie erklärt es zu einem „Skandal“, dass die Zahl derer, die unqualifiziert in Arbeit geschleust würden, auf 83.000 gestiegen sei. „Geringe Qualifikation aber birgt bei weitem das höchste Risiko, auf Dauer arbeitslos zu werden.“

Auch die DGB-Expertin Ingrid Sehrbrock weist darauf hin, dass die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze „im Jahresvergleich um neun Prozent gesunken ist“. Clement und die Arbeitgeber sollten mit der „Schönrederei“ aufhören.

Nichts, woran Wolfgang Clement sich gestern stören mochte. Er hatte Anfang der Woche wütend hingenommen, dass SPD-Parteichef Franz Müntefering ihn für das künftige schwarz-rote Kabinett nicht mehr vorsieht, und im Übrigen das Wirtschafts- und Arbeitsministerium entzweigeschlagen wurde. Er steuere nun seinem „dritten Lebensabschnitt, dem privaten“, entgegen, sagte Clement gestern. Die Entscheidungen der Koalitionäre habe er „zu respektieren – so weit ich als Privatperson überhaupt noch etwas zu respektieren habe.“

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