Hoffentlich nicht lebensversichert

Drei private Kläger erringen einen Sieg gegen Versicherungskonzerne. Der Bundesgerichtshof entschied, dass sie für ihre gekündigten Lebensversicherungen mehr Geld erhalten. Das Urteil gilt für Verträge, die vor 2001 abgeschlossen wurden

VON ULRIKE HERRMANN

95 Millionen Lebensversicherungen gibt es in Deutschland – also mehr Verträge als Einwohner. Dabei ist diese Anlageform besonders riskant. Denn etwa jede zweite Kapitallebensversicherung wird vorzeitig aufgelöst. Meist müssen die Versicherten dabei enorme Abschläge hinnehmen. Manche bekommen sogar nichts zurück, weil in den Anfangsjahren mit den Prämien erst einmal die Vermittlungsprovision für den Vertreter finanziert werden. Dieser Verlust überrascht viele Versicherte, weil sie die Vertragsbestimmungen zum „Rückkaufswert“ nicht verstanden haben.

So erging es auch drei Klägern vor dem Bundesgerichtshof (BGH), die sich gestern über einen Sieg freuen konnten. Das Gericht entschied, dass der Rückkaufswert bei vorzeitiger Kündigung nicht auf null sinken darf. Gleichzeitig definierte das Gericht, wie der Rückkaufswert zu berechnen ist. Betroffen sind etwa 20 Millionen Verträge, die zwischen 1994 und 2001 abgeschlossen wurden.

Dieser Zeitraum erklärt sich durch den juristischen Hebel der drei Kläger: Schon im Mai 2001 hatte der BGH entschieden, dass die damals üblichen Vertragsklauseln unwirksam seien – eben weil sie die Kunden nicht ausreichend aufklärten. Das nutzten die Kläger, um nun nachträglich einen höheren Rückkaufswert für ihre gekündigten Verträge durchzusetzen. Allerdings wird erwartet, dass das Urteil auch Bedeutung für Lebensversicherungen hat, die nach 2001 abgeschlossen wurden.

Schon im Juli ist ein weiteres Grundsatzurteil über Lebensversicherungen ergangen – diesmal beim Bundesverfassungsgericht. Wieder ging es um die Transparenz der Verträge. Kritikpunkt damals: Es sei bisher für Kunden nicht zu ersehen, inwieweit sie an den Überschüssen der Versicherungen beteiligt werden. Der Gesetzgeber wurde verpflichtet, bis Ende 2007 sicherzustellen, dass Versicherte „angemessen“ von dem Vermögen profitieren, das mit ihren Prämien angehäuft wurde.

Trotz der hohen Kündigungsrate sind Kapitallebensversicherungen unverändert beliebt. Im ersten Halbjahr 2005 wurden 3,35 Millionen neue Verträge abgeschlossen. Dies waren nur 450.000 weniger als ein Jahr zuvor. Damit hatte selbst die Versicherungswirtschaft nicht gerechnet – schließlich müssen seit Anfang 2005 die Kapitalerträge aus Lebensversicherungen versteuert werden.