Knochen im Essen

Ein bayerischer Kaufmann soll Schlachtabfälle an Hersteller von Pizza und Tortellini verkauft haben

MEMMINGEN taz ■ Ein internationaler Fleischskandal beschäftigt die Memminger Staatsanwaltschaft und die Zollfahndung in Lindau. Wie gestern bekannt wurde, ermitteln die Fahnder gegen den 39-jährigen Geschäftsführer der niederbayerischen Firma Deggendorfer Frost GmbH. In den vergangenen zwei Jahren, so berichtete der Stern, soll er mindestens 1.700 Tonnen falsch deklarierte Fleischabfälle an Betriebe verschoben haben, die Lebensmittel produzieren.

In welchen Produkten das Fleisch auf den Markt kam, ist noch unklar. Fest steht: Es handelte sich um Geflügelknochen und Schweineschwarten, die nach EU-Recht „nicht für den menschlichen Verzehr“ geeignet waren. Sie waren deklariert als Fleisch der Kategorie 3, das nur zu Tierfutter verarbeitet wird.

Ein Risiko für den Verbraucher besteht nicht. Die Fleischreste seien nicht gefährlich, erklärte der bayerische Verbraucherminister Werner Schnappauf (CSU). Zudem handele es sich um einen Einzelfall. In Bayern gebe es ein strenges dreistufiges Kontrollsystem.

Die Lebensmittelkontrolle obliegt den Bundesländern. In Bayern, so sagte ein Sprecher von Schnappauf, funktioniere sie so: Zunächst einmal müsse der Hersteller eine Eigenkontrolle machen. Gleiches gelte für den weiterverarbeitenden Betrieb. Die dritte Kontrollstufe übernähmen Tierärzte. Gegen kriminelle Energien sei man aber machtlos.

Noch ist der Umfang der illegalen Fleischgeschäfte nicht völlig ermittelt. Sowohl die Zollfahndung Lindau als auch die Staatsanwaltschaft Memmingen hielten sich gestern äußerst bedeckt. Allerdings ist der 39-jährige Geschäftsführer, gegen den ermittelt wird, für die Staatsanwälte kein unbeschriebenes Blatt. Er wurde vor zwei Jahren bereits vom Augsburger Landgericht zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt. Er soll Fleisch als „Transitfleisch“ deklariert, dann aber nach Deutschland eingeführt haben.

Die Deggendorfer Firma wollte sich gestern nicht äußern. Sie besitzt nur eine Zulassung nach dem Tierkörperbeseitigungsgesetz als „Zwischenbehandlungsbetrieb“ für „Material der Kategorie 3“. Die Zollfahnder in Lindau wären vermutlich auch nicht auf die Sache aufmerksam geworden, wenn nicht aus der Schweiz dubiose Fleischeinfuhren bekannt geworden wären. Nicht bestätigten Informationen zufolge laufen in der Sache Rechtshilfeersuchen von der Schweiz, Italien und Frankreich.

KLAUS WITTMANN

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