Lehrstellen bleiben Mangelware

Eineinhalb Monate nach Beginn des Lehrjahrs suchen 3.400 Jugendliche einen Ausbildungsplatz. Gewerkschaft spricht von „geschönter Statistik“. Arbeitsagentur verhandelt mit Unternehmen

VON ANNE MÄRTENS

Die Lage auf dem Berliner Lehrstellenmarkt ist weiter kritisch: Auch knapp eineinhalb Monate nach Beginn des Lehrjahres suchen noch rund 3.400 BerlinerInnen eine Lehrstelle. Dies teilte die Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit gestern mit. Vor einem Jahr waren noch 4.600 Jugendliche auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz gewesen. Für den Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) ist dieser Vergleich blanker Hohn: „Zu den 3.400 Jugendlichen kommen noch einmal 3.000, die in schulischen Maßnahmen zwischengeparkt werden und damit die Statistik schönen“, sagte Dieter Pienkny, Sprecher des DGB Berlin-Brandenburg. Der im vergangenen Jahr geschlossene Ausbildungspakt zwischen Bundesregierung und Wirtschaft sei gescheitert.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) sieht das anders: „Der Ausbildungspakt ist erfolgreich. 30.000 zusätzliche Lehrstellen wurden bundesweit geschaffen, dazu kommen 25.000 Einstiegsqualifikationen“, so Anja Nußbaum von der IHK. Einstiegsqualifikationen sind sechs- bis zwölfmonatige Praktika. Im vergangenen Jahr hätten 500 Jugendliche in Berlin ein solches Praktikum begonnen. 50 Prozent seien danach in ein Ausbildungsverhältnis übernommen worden, so Nußbaum. Vor allem für schwer vermittelbare Jugendliche seien die Praktika eine große Chance.

Die Arbeitsagentur will zusammen mit den Kammern alle ausbildungswilligen und -fähigen BerlinerInnen ohne Lehrvertrag bis Ende des Jahres vermitteln – gelingen wird das nicht, das weiß die Agentur selbst. So läuft nächste Woche die Nachvermittlungsbörse an, zu der 2.800 Suchende eingeladen wurden. Vertreter der Arbeitsagentur sowie Arbeitgeber werden Gespräche mit BewerberInnen führen. Anschließend soll direkt in den Betrieben bei den Personalchefs und Geschäftsführern für Ausbildungsplätze geworben werden. „Damit sollen noch einmal 1.000 Lehrstellen geschaffen werden“, sagte Olaf Möller, Sprecher der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg der Bundesagentur für Arbeit.

DGB-Sprecher Pienkny macht auf eine weitere Problematik aufmerksam: Mit der Einführung von Studiengebühren würden sich vermehrt Abiturienten gegen einen Hochschulabschluss und für eine Ausbildung entscheiden. Tatsächlich unterschrieben über 30 Prozent der Abiturienten einen Ausbildungsvertrag. „Den Letzten beißen die Hunde“, so Pienkny und verweist auf die dramatische Lage der Hauptschüler.

Lehrverträge mit Versicherungsagenturen oder Banken würden grundsätzlich von Abiturienten unterschrieben. Für Schichtberufe wie Bäcker und Fleischer interessieren sich jedoch die wenigsten. In diesen Berufen und auch im Hotel- und Gastronomiegewerbe gebe es noch einige offene Stellen, so die Industrie- und Handelskammer.