Olympia macht sichtbar

Demokratie & Protest Heute Nacht werden die 31. Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro eröffnet. Es wird viel Schönes zu erzählen geben. Aber auch Hässliches

Foto: Fabio Teixeira/Polaris/laif

von Jan Feddersen

Was für gute Nachrichten, dass der olympische Fackellauf durch Brasilien so viel Protest hervorrief: Die Empörung galt nicht den Sportler*innen, die nun in Rio de Janeiro zu den 31. Olympischen Sommerspielen zu Gast sind. Der starke Unmut galt der brasilianischen Politik, vor allem im Hinblick auf Bildung und soziale Gerechtigkeit überhaupt. Denn warum ist so viel Geld da, um das teuerste Sportevent der Welt auszurichten – aber an anderen Stellen, in Schulen, Krankenhäusern und sozialen Versorgungseinrichtungen, fehlt es?

Dass in Brasilien die Olympischen Sommerspiele zelebriert werden, war 2009 der ausdrückliche Wunsch der linken Regierung von Präsident Lula: Das Land sollte sich als neuer, nicht autokratisch regierter Player im globalen Kapitalismus zeigen, in einer lebensfrohen Atmosphäre. Brasilianisch eben, aufbrüchig, lebendig, empörungsbereit, weltoffen.

Es war insofern eine perfekte Ortswahl des Internationalen Olympischen Komitees IOC: So viele demokratisch regierte Städte in der Welt gibt es nicht mehr, die bereit sind, die Regeln der Herren der fünf Ringe zu akzeptieren: alle Kosten bei den Gastgebern, alle Profite beim IOC.

Dass das IOC die Regeln schon immer bestimmte und sein Projekt zum kapitalistischsten Event überhaupt entwickeln konnte, dass diese Organisation für Korruption, Günstlingsökonomie und Intransparenz steht, dass sie für Einflüsterungen der dubiosesten Politiker*innen (Putin momentan am ehesten) offen war und ist, ist so zutreffend wie banal.

Tatsächlich ist der olympisch-industrielle Komplex, gerade weil er so profitorientiert arbeitet, eine gigantische Globalisierungsmaschine. Sport als Wettbewerb – das ist der Claim, der global so attraktiv ist wie kein anderer. Kein globaler Akteur hat so konsequent für die Entprivilegierung der „weißen“ Länder gesorgt – die Olympischen Spiele ermöglichen die Teilhabe von Frauen und Männern, die jenseits dieses Spektakels niemals wahrgenommen würden: Sportler*innen aus Afrika, Asien, Mittel- und Lateinamerika und Ozeanien. Das gilt auch für alle, die nach den herrschenden Kriterien der globalen Schönheitsvorstellungen übersehen werden.

Bei Olympischen Sommerspielen sind Athlet*innen jenseits des reichen Europas gleichberechtigt und nicht nur als schicke Exot*innen willkommen: Längst kämpfen sie, die Hungrigen, um Medaillen, die Rival*innen aus den gesättigten Teilen der Welt oft locker übertrumpfend. Sport, ohnehin ein Egalisator in ästhetischer Hinsicht, weil es um Zeiten und Weiten, also um Messbares, nicht um Geschmackliches geht, kommt auch bei diesen Spielen zu sich selbst: Und das TV-Publikum, das sportbekloppte deutsche ohnehin, wird sich begeistern lassen (wollen), weitgehend unabhängig von nationalen Identifikationen.

Klar: Olympia heißt auch Doping, Korruption und Betrug. Alles, wie im richtigen Leben eben auch. Nur: Dass bei diesem Event vieles unter Verdacht steht, ist ein gutes Zeichen: Damit es besser werden kann. In Rio wird gefeiert. Und protestiert. Das gehört, demokratisch gesehen, zusammen.

So global ist’s selten: Vergnügen wir uns daran.