Kein Konzept, aber eine Haltung

Jubiläum I Eigentlich nur als Gesamtkunstwerk zu begreifen: Der Verein der „polnischen Versager“ war als zwei Monate währendes Projekt geplant. Nun feiert er sein fünfzehnjähriges Bestehen mit einer großen Party

Piotr Mordel ist eines der beiden ständigen Mitglieder des Clubs der polnischen Versager Foto: Steffi Loos

von Jens Uthoff

Auch nach eineinhalb Jahrzehnten des Bestehens ringt Piotr Mordel noch um Worte, wenn er definieren soll, was das eigentlich ist, dieser „Club der polnischen Versager“. Dabei gehört Mordel dem Verein nicht nur an, sondern ist dessen Mitgründer und neben Kompagnon Adam Gusowski einziges ständiges Mitglied. Auf „Anders-Ort“, auf Heterotopie, einigt man sich schließlich im Gespräch – damit ist man, so viel steht fest, auf der sicheren Seite.

Mordel, 55 Jahre alt, lange graue Haare, leise, brüchige Stimme und bisweilen spitzbübisches Grinsen, sitzt in einer dunklen Ecke seines Clubs, der in den Räumlichkeiten des Schokoladens in Mitte residiert. „Es ist erstaunlich, dass es uns noch gibt“, sagt der gebürtige Lubliner, „eigentlich war das Projekt mal auf zwei Monate angelegt.“ Für diesen Zeitraum habe man damals, noch in der Torstraße angesiedelt, Geld für die Miete gehabt. Dann kam ein Schadensfall im Haus, der zum Glücksfall wurde: Man behielt die Räume mietfrei, die Versager blieben.

So kommt es, dass dieser Verein, der im Laufe seines Bestehens Ausstellungen, Lesungen, Filmpremieren, Modeschauen, Theater, Kabarett und Satireabende veranstaltet hat und eigentlich nur als Gesamtkunstwerk zu begreifen ist, nun sein 15-Jähriges feiert. Heute Abend gibt es eine zünftige Feier in der Ackerstraße, in der man seit 2007 beheimatet ist. Eine dazugehörige Ausstellung widmet sich der vollen Versagergeschichte. Im Jubiläumsmonat September hat man dann – anders als sonst – täglich geöffnet.

Hinter dem Club steht eher eine Haltung denn ein Konzept. Piotr Mordel kam, wie sein Mitstreiter, noch in Vorwendezeiten nach Berlin. Für sie als Ost­block­erprobte war es kaum nachvollziehbar, dass man (beruflichen) „Erfolg als Hauptziel des Lebens“ ansah, wie Mordel sagt. „Außerdem wollten wir nicht nur konsumieren, sondern selbst gestalten.“ So schufen sie mit ein paar Freundinnen und Freunden mit ähnlich gelagertem Humor dieses Versuchslabor der Scheiternden und Gescheiterten. Wichtigste Regel: „Dass der Künstler und die Veranstalter Spaß haben.“

Dem deutsch-polnischen Verhältnis widmete man sich auf lakonische bis zynische Weise; kein Zufall ist, dass sich der Club offiziell am 1. September 2001 um 5.45 Uhr gründete (das sind Datum und Uhrzeit, von denen an Hitler 1939 „zurückschießen“ ließ). Auch die jeweiligen na­tio­nalen Stereotype machte man sich von Beginn an zu eigen, mit dem Clubnamen persiflierte man deutsches Perfektionsstreben: „In Polen verzeiht man es Leuten, wenn irgendetwas nicht klappt. Das ist in Deutschland etwas anders.“

Bis heute bringen Mordel, der auch als Grafiker arbeitet, und Gusowski, der Radiojournalist ist, gemeinsam Satireshows auf die Bühne. Ihr Programm „Der Polenverklärer“ geht im Herbst in die nächste Runde. Im zugehörigen Blog beschäftigen sie sich vor allem mit der politischen Lage in Polen, die Mordel so kommentiert: „Man sieht sich in Polen immer als armes, kleines Volk, das von den Deutschen und der EU unterdrückt wird. Nun spricht man davon, das Land habe sich von den Knien erhoben. Deshalb hängt man jetzt die halbe Nation mit Flaggen voll.“

„Die Polen sehen sich als armes Volk, das von den Deutschen und der EU unterdrückt wird“, sagt Piotr Mordel

Spricht er vom neuen polnischen Nationalnarrativ, kommt er in Fahrt: „Im Prinzip steht eine nicht erwiderte Liebe des Westens dahinter. Die Polen finden sich selbst total toll, aber andere Nationen interessieren sich nicht für sie. Polen sind beleidigte Leberwürste – wie so viele Osteuropäer.“ So erklärt er sich, dass die Politik der nationalkonservativen Regierung auf so fruchtbaren Boden fällt. Die Situation in Polen ist ein Grund, warum er sich als Künstler in Berlin weiterhin sehr wohlfühlt: „Wir Exilpolen sind ja in der Luxussituation, nicht direkt betroffen zu sein“, sagt er.

Wenn man sich eine Weile mit Mordel unterhält und sich in dem Ladenlokal umsieht, bekommt man einen Eindruck davon, was den Versagerclub auszeichnet. Durchgesessene Sofas stehen da auf gefliestem Boden, eine Theke wirkt etwas deplatziert, Da Vincis „Homo Vitru­vianus“ hängt an der Wand und ist mit Mordels Gesicht versehen – irgendwie wirkt alles wie ein Provisorium.

Das passt, denn man will sich ja immer wieder neu erfinden – man scheitert zum Beispiel mit Arabischkursen, die man nur deshalb anbietet, um darauf aufmerksam zu machen, dass es wichtig wäre, sich mal mit der Sprache und Kultur zu beschäftigen. Und lädt sich nun zum Jubiläum eine japanische Band ein, die experimentelle elektronische Musik spielt. Scheitern ist in Berlin eine internationalistische Angelegenheit.

15 Jahre Club der polnischen Versager, Party mit Musik von Sub Human Bros und Kurzfilmen von Wojtek Skowron. Ackerstraße 168, Mitte. Am heutigen Samstag ab 20 Uhr