heute in hamburg
: „Verbrechen vertuscht“

Erinnerung In Jenfeld erinnert künftig eine Straße an den Deserteur Kurt Oldenburg

René Senenko

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58, Sprecher des Bündnisses Deserteursdenkmal, war 2010 einer von dessen Mitbegründern.

taz: Herr Senenko, warum ist es Ihnen so wichtig, Wehrmachtsdeserteuren zu gedenken?

René Senenko: Weil das Thema in unserer Gesellschaft erst seit Kurzem präsent ist. Unser Bündnis macht heute gewissermaßen die Hausaufgaben für die Adenauer-Ära. Alles, was die Politiker dort an Verbrechen aus der NS-Zeit vertuscht haben, wird nun mühselig aufgearbeitet – seitdem die Täter tot sind oder keinen Einfluss mehr haben.

Wie kam es zum Bündnis Deserteursdenkmal?

2006 wandte sich die Tochter eines hingerichteten Deserteurs aus Hamburg an die Willi-Bredel-Gesellschaft ...

... in der sich Naziopfer, Historiker und interessierte Bürger um „lebendige Geschichtsvermittlung“ bemühen.

Sie bat uns, die Geschichte ihres Vaters aufzuarbeiten. Wir taten das und erfuhren so, dass auf dem Friedhof Ohlsdorf 70 erschossene Deserteure der Wehrmacht liegen. Außer ein paar Eingeweihten wusste niemand davon. In dem Jahr gründeten wir dann das Bündnis – das war 2010.

Also ist das Thema noch zu wenig aufgearbeitet?

Das können wir so nicht sagen. Es geht vielmehr um das Missverhältnis zwischen den verklärenden Kriegerdenkmälern, von denen es im Lande Tausende gibt, und den Deserteursdenkmälern, die dem etwas entgegensetzen wollen.

Was wollen sie dem denn entgegensetzen?

Der Bundestag hat klar festgestellt, dass der Zweite Weltkrieg ein Angriffs- und Vernichtungskrieg war, ein vom deutschen Boden ausgehendes Verbrechen. Die Kriegerdenkmäler ehren Soldaten, die für einen Krieg instrumentalisiert worden sind. Ich habe nichts gegen private Trauer um tote Angehörige in Uniform. Aber aus unserer Sicht sollten vielmehr jene geehrt werden, die Widerstand gegen den Naziterror und den Krieg geleistet haben.

Warum?

Deserteure haben geholfen, den Krieg zu verkürzen. Denkmäler für diese Menschen sollen junge Leute zum Denken anregen. Darüber, ob sie wirklich in die Bundeswehr eintreten wollen. Gerade jetzt, wo die Bundeswehr wieder stärker in Kriegen zum Einsatz kommt.

Hilft eine Straßenumbenennung dabei?

Natürlich. Einige Anwohner werden sich fragen, warum gerade ihre Straße nach einem Deserteur benannt ist. Das trägt schon zur Aufklärung bei.

INTERVIEW: Johanna von Criegern

Straßenschild-Enthüllung mit Beiträgen von René Senenko und Detlef Garbe (Gedenkstätte Neuengamme): 14 Uhr, Kurt-Oldenburg-Straße Ecke Charlottenburger Straße