„Wir müssen uns anpassen“

VORTRAG Ein Polarforscher erklärt, wie Tiere es in der eisigen Kälte der Antarktis schaffen, zu überleben

■ 55, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut, war 15 Mal in der Antarktis und forscht zur Klima-Abhängigkeit des Tierlebens.

taz: Herr Gutt, Sie wissen, wie wir die kalten Stürme und Dunkelheit des Winters überleben?

Julian Gutt: Wieso ich?

Weil Sie untersuchen, wie Tiere im Eis der Antarktis überleben.

Der Vergleich zum Menschen ist ein bisschen weit hergeholt. Die Tiere haben sich angepasst: Robben etwa liegen auf dem Eis, wie wir auf dem Sofa. Sie haben eine dicke Isolationsschicht und einen tüchtigen Stoffwechsel, der das kleine Kraftwerk des Körpers am Laufen hält. Löcher im Eis halten sie offen, indem sie die Eisränder immer wieder abbeißen. Für sie ist es der normale Lebensraum.

Und die anderen Tiere?

Bei den Kaiser-Pinguinen schlüpfen die Jungen in der Mitte des Winters. Es gibt eine hohe Verlustrate, aber die Jungen sollen den Sommer über für den darauf folgenden Winter fit werden. Ähnliche Strategien finden wir bei Walen, Seevögeln und auch bei wirbellosen Tieren. Die haben Gefrierschutz-Proteine in ihrer Körperflüssigkeit, so wie wir sie im Kühler des Autos haben sollten.

Wie stark greifen sie bei der Forschung ein?

Ich nutze vor allem nicht-invasiven Methoden, wie Unterwasser-Videos und Fotografie. Aber ich nehme auch Proben, für genetische Untersuchungen, oder für Mageninhaltsanalysen. Das antarktische Ökosystem ist empfindlich. Allerdings zerstören auch Eisberge den Meeresgrund, töten Flora und Fauna, wodurch wieder neue Flächen frei werden. Die Frage stellt sich immer: Wie viel Zerstörung hält das System aus, bevor es umkippt – etwa durch die Fischerei.

Können die Menschen wirklich nichts von den Pinguinen lernen?

Doch: Dass wir mit und nicht gegen die Umwelt leben sollten. Wir müssen uns anpassen – nicht im Erbgut, das können wir nicht so schnell, sondern im Verhalten. So, wie es die antarktische Tierwelt sich über Millionen Jahre in der Evolution angeeignet hat. Wenn wir die Umwelt mehr belasten als nötig, leiden wir so wie die antarktischen Tiere, wenn es das Eis nicht mehr gäbe. Interview: JPB

19 Uhr, Schifffahrtsmuseum, Hans-Scharoun-Platz 1, Bremerhaven