Wählen bringt nicht immer eine Lösung

KroatienDie Konservativen behaupten sich vor den Sozialdemokraten. Regierungsbildung schwierig

SARAJEVO taz | Lange Gesichter waren bei der Wahlparty der Sozialdemokraten zu sehen, als in der Nacht zum Montag feststand, dass die SDP wieder einmal nicht gewonnen hatte. Noch vor wenigen Wochen lagen die Sozialdemokraten bei Umfragen weit vor der HDZ, der Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft. Mit nur 54 Sitzen im 151 Sitze umfassenden Sabor erreichte das sozialdemokratische Wahlbündnis jetzt aber nicht einmal die Anzahl der Sitze bei der letzten Wahl im November 2015.

Doch auch die HDZ hat es mit ihren Verbündeten nur auf 61 Sitze gebracht. Geholfen hat ihr wohl die niedrige Wahlbeteiligung von nur 52 Prozent. Der neue HDZ-Parteichef Andrej Plenkovićkann sich dennoch als Sieger fühlen.

Erst am 17. Juli zum Parteichef gewählt, hat der 46-jährige Europaabgeordnete das Profil der Partei hin zur Mitte korrigiert. Der extreme Nationalismus seines über eine Korruptionsaffäre gestolperten Vorgängers Tomislav Karamarko spielte bei der Wahlkampagne keine tragende Rolle mehr.

Eine Regierungsbildung wird in den nächsten 6 Wochen sehr schwierig werden. Die Most ließ die Koalition mit der HDZ platzen, um Neuwahlen zu erzwingen, weil sie ihre Vorstellungen für eine Reform von Staat und Verwaltung nicht durchsetzen konnte. Leicht gerupft hat es die aus Kommunalpolitikern bestehende Reformpartei geschafft, immerhin 13 Abgeordnete ins Parlament zu bringen. Mit 8 Sitzen hat auch die Zivi Zid (Lebende Mauer), die aus einer Bewegung von Hausbesetzern und Mietern hervorgegangen ist, einen Achtungserfolg errungen.

Most-Vorsitzender Božo Petrov stellte den beiden Großen noch am Montag ein fünftägiges Ultimatum. Entweder gehe eine von beiden Parteiblöcken auf sieben von Most geforderte Schlüsselreformen ein, oder seine Partei gehe in die Opposition, erklärte Petrov. Somit erhalten auch die Sozialdemokraten nochmal die Chance, trotz der Wahlniederlage an die Regierung zu kommen.

Um eine Regierung mit der Partei Most zu bilden, müssten aber die Protestpartei Zivi Zid und die Minderheiten mit in das sozialdemokratische Boot kommen. Exministerpräsident Zoran Milanovićsieht noch die Möglichkeit einer großen Koalition, die aber von der HDZ abgelehnt wird. Erich Rathfelder