Ostsee für alle

Upgrade Weissenhäuser Strand zeigt die Entwicklung des Ostsee-Tourismus in Miniatur. Zu den Dauercampern gesellen sich Luxusgäste

Der Campingplatz duckt sich direkt hinter den Deich. Darüber weht eine Deutschland-Flagge. Zu Fuß sind es keine fünf Minuten an den Weissenhäuser Strand. Gut so, denn viele Urlauber sind mit ihrem Campingplatz in die Jahre gekommen. In den Fünfzigern, da war Weissenhäuser Strand ein Versprechen: Ostseeurlaub für alle, auch für die kleinen Leute. Die meisten sind heute Dauercamper.

Die Ferienmaschine direkt daneben kam erst in den Sechzigern dazu: Vierstöckige Riegelbauten mit Balkons zu Seeseite. Der Komplex sieht den Wohnsiedlungen zum Verwechseln ähnlich, in denen ihre Gäste vermutlich das Jahr über wohnen. Den Unterschied machen das „Blockhaus“ in der Mitte, der Minigolfplatz und die Kinder-Bungee-Anlage. Und natürlich die Seeluft.

Die Riesenröhre in blau und gelb, die sich über das Areal schwingt, zeugt von Belebungsversuchen, vielleicht in den Achtzigern. Spaßbad, signalisiert sie, drinnen und damit potenziell ganzjährig zu benutzen. So richtig kam der Tourismus abseits des kurzen Ostsee-Sommers aber nie in Gang.

Bis findige Leute den Week­ender erfanden: Im Winter finden kleine Musik-Festivals in der Ferienanlage statt. Zum Soul-Weekender oder Rock’n’Roll-Weekender kommen vor allem internationale Stars, deren große Zeit ähnlich weit zurückliegt, wie die der Ferienanlage. Passt also ganz gut zusammen und füllt die Zimmer. Seit einigen Jahren ist im Mai das Frauenfestival hinzugekommen, zu dem vor allem die lesbische Szene die Ferienwohnungen belegt.

Nur ein paar hundert Meter den Deich entlang kündet ein Toilettenhäuschen von der Zukunft des Ostseetourismus. Aus hellem Naturholz und pieksauber sieht es dem benachbarten Restaurant „Bootshaus“ ähnlich. Da kostet die Kugel Eis fünf Euro. Und die Kellnerin sagt: „Ich muss Sie warnen, draußen ist es sehr windig.“ Dabei liegt die Terrasse hinter einer Glasscheibe.

Eine akkurat getrimmte Allee, menschenleer, Radfahren verboten, führt vom Restaurant zum Gut Weissenhaus. Das heißt inzwischen „Schlossgut“, seit ein Hamburger Internet-Millionär es gekauft und zum „Weissenhaus Grand Village Resort & Spa“ umbauen lassen hat. Zimmer kosten um die 350 Euro – pro Nacht. Man kann Barmixer-Kurse buchen oder Wellnessen. Zur Konkurrenz mit exklusiven Karibik-Destinationen fehlt eigentlich nur das Wetter. jank