Genervte Nachbarn: Dauerparty im Viertel

Urbane Konflikte AnwohnerInnen werfen Politik und Verwaltung vor, zu wenig gegen Dealer und Straßengelage zu tun

Die Bürgerinitiative „Leben im Viertel“ erwartet mehr Engagement von Politik und Verwaltung gegen die aus ihrer Sicht unzumutbare Belastung durch Drogendealer und jugendliche Party-Gänger im Ostertor. Das hat sie Donnerstag auf einer Pressekonferenz mitgeteilt.

Der Hintergrund: Zum einen beschweren sich AnwohnerInnen insbesondere der Straße Fehrfeld über eine Zunahme an Dealern. Außerdem gibt es zunehmend Probleme mit dem „Cornern“. Bei diesem Phänomen verlagert sich das Kneipengeschehen nach draußen: An die Straßenecke, englisch „corner“. Der pensionierte Lehrer Stefan Schafheitlin erklärt, wie er das in seiner Nachbarschaft erlebt: Junge Leute würden sich beim Kiosk ein Sixpack Bier kaufen, um sich damit an den Straßenrand zu setzen. Und das in lauen Nächten gerne bis zum nächsten Morgen. In der Folge siedelten sich mehr Kioske an, während Gastwirte Einnahmenrückgänge beklagen. Das Leergut, hat Schafheitlin beobachtet, würden viele Kioske allerdings nicht zurücknehmen.

Der subjektive Eindruck, den die ViertelbewohnerInnen beklagen, spiegelt sich in Zahlen zum Lärmpegel. Im Dezember 2015 maß das Stadtamt einen Dauerschallpegel in der Bernhardstraße von 57,1 Dezibel. Dabei gilt in Wohngebieten 55 Dezibel „für außergewöhnliche Situationen“ als Grenzwert, Dauerschallpegel durch Freizeitlärm soll 35-40 Dezibel nicht überschreiten. Im 2015 beschlossenen neuen Flächennutzungsplan gelten einige Straßenzüge im Ostertor nicht mehr als Wohn- sondern als „Mischgebiete“: Dort ist mehr Lärm erlaubt. Diese Umdefinition geschah gegen den Willen der beiden Beiräte vom Ostertor und Steintor – aus übergeordneten Gesichtspunkten und im Interesse des „Kleingewerbes“, erläuterte Bausenator Joachim Lohse (Die Grünen) auf Nachfrage der taz. Die Bürgerinitiative fordert, dass auch im Sommer, wenn sich viel mehr Leute länger im Freien aufhalten, das Stadtamt die Lärmwerte misst. Sie glaubt, dass sich dann unmittelbarer Handlungsbedarf ergibt.

Außerdem verlangt die Initiative die Kontrolle der Einhaltung bestehender rechtlicher Grenzen von den Behörden. Im Viertel, sagt sie, würden alle möglichen gastronomischen Einrichtungen Tische auf die Straßen stellen, ohne dafür eine Genehmigung zu haben. Dabei dürften in der Straße „Vor dem Steintor“ eigentlich nur neue Betriebe „mit Vollküche“ eröffnen.

Auch eine Debatte über eine Ausweitung der Sperrstunde mahnt die Anwohner-Initiative an. In Bayern gäbe es für Biergärten die Regelung, dass der Ausschank um 23 Uhr beendet sein muss. Und in Baden-Württemberg sei der Alkohol-Straßenverkauf zwischen 22 und 5 Uhr morgens verboten.

Klaus Wolschner