Die Kleinen, die Großen und die Anderen

Markt Von der UNO bis zum Weltladen setzen sich viele Menschen für den Fairen Handel ein. In Deutschland wächst der Anteil von Fairtrade-Produkten zwar, aber nur langsam. Bei unseren Nachbarn geht es teilweise schneller voran. Es gibt noch einiges zu tun

Zwei Hürden: komplexe Vertriebsstruktur und deutsche Mentalität

von Christine Berger

Kunden haben es nicht leicht, wenn es ums Einkaufen geht. Wer regional, bio und dazu fair gehandelte Ware einkaufen will, muss genau hinschauen und noch längst nicht überall wird er fündig, zumal nicht immer drin ist was drauf steht. Diese Begriffe garantieren zwar meist eine bessere Umwelt- und Entlohnungsbilanz, doch wie hoch diese ausfällt, erscheint vielen oft nicht klar genug.

Immer noch greifen daher viele Kunden unreflektiert wie eh und je beim Einkauf zu, weil Ihnen alles andere zu kompliziert ist. Die Geiz-ist-geil-Mentalität in vielen deutschen Haushalten tut dazu ihr Übriges. „Dass die mündige Kaufentscheidung die Welt retten soll, ist eine Überforderung“, bringt es Claudia Brück, Vorstandsmitglied bei Fairtrade Deutschland auf den Punkt. Fairer Handel von Produkten mit transparenten Lieferketten müsse Alltag werden. Um dies zu erreichen kämpfen die Fair-Trade-Organisationen seit Jahren für eine gesetzliche Grundlage, die alle Unternehmen im Einzelhandel zur Einhaltung von Menschenrechten und fairer Entlohnung entlang der gesamten Lieferkette verpflichtet.

Auf internationaler Ebene haben die Vereinten Nationen (UN) 2011 die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte verabschiedet. Alle Mitgliedsstaaten sind aufgerufen, jeweils einen Nationalen Aktionsplan zu formulieren, der möglichst verbindliche Richtlinien vorgibt, wie der Handel fairer gestaltet werden kann. In Deutschland ist der Aktionsplan derzeit in Arbeit (mehr dazu auf Seite 5). „Es ist leider ziemlich unwahrscheinlich, dass eine verbindliche Regelung beschlossen wird“, gibt sich Andrea Fütterer, Vorstandsvorsitzende des Forums Fairer Handel, skeptisch. Freiwillige Regularien und Empfehlungen, auf die es wahrscheinlich hinauslaufen werde, brächten nichts. Doch Fütterer ist Gegenwind gewohnt, schließlich kämpft ihr Verband schon seit vielen Jahren um Marktanteile im Einzelhandel.

Immerhin haben es einige der 15 Fair-Trade-Produktgruppen schon weit gebracht. Bananen etwa, 10 Prozent werden in Deutschland fair gehandelt verkauft. Doch da ist natürlich Luft nach oben. In der Schweiz etwa ist bereits jede zweite verkaufte Krummfrucht mit dem Fair-Trade-Label versehen. Besonders dank des Bananenverkaufs geben die Schweizer im Jahr durchschnittlich über 60 Euro für Fair-Trade-Produkte aus, in Deutschland waren es 2015 gerade einmal 14 Euro.

In der Schweiz ist aber auch ein vergleichsweise einfacher Vertrieb fair gehandelter Produkte möglich, weil es dort eine übersichtlichere Einzelhandelslandschaft gibt und sich große Unternehmen eher ihrer sozialen Verantwortung bewusst sind. So stellte etwa die Supermarktkette COOP mit einem Schlag komplett auf Fair-Trade-Bananen um mit dem Effekt, dass es in vielen Läden der Schweiz gar keine anderen mehr gab. So einfach lässt sich das in Deutschland nicht umsetzen. „Kein anderes Land hat so viele Discounter und einen solchen Preiskampf“, erklärt Fütterer die komplizierte Vertriebsstruktur. Wolle man ein Fair-Trade-Produkt flächendeckend in Deutschland etablieren, müsse man also mit unglaublich vielen verschiedenen Einkäufern sprechen. „Das ist ein riesiger Aufwand.“ Ein Hauptziel müsse daher sein, den Handel nach fairen Kriterien mittels verbindlicher Richtlinien gesetzlich zu verankern. Dann würde vielleicht auch das Buhlen um Kunden mit künstlich niedrigen Preisen endlich aufhören.

Etwa beim Kaffee. „Den verkaufen die deutschen Märkte häufig unter dem Einstandspreis, um Kunden in die Läden zu locken“, so Fütterer. Da haben Fair-Trade-Alternativen einen schweren Stand. Der Anteil fair gehandelten Kaffees in Deutschland liegt denn auch gerade einmal bei drei Prozent. In Großbritannien, dem Fair-Trade-Marktführer mit rund zwei Milliarden Euro Umsatz (2015) pro Jahr, sind es immerhin 20 Prozent. Das hat auch kulturelle Gründe: In Großbritannien (wie auch in Irland und in der Schweiz) gibt es eine lange und umfassende „Charity“-Tradition, etwa durch die Wohltätigkeit (unabhängiger) Kirchengemeinden.

„In Deutschland setzt man im Allgemeinen eher auf staatliche Sozialpolitik, und deshalb sind Verbraucher auch für den Fair-Trade-Ansatz einer freiwilligen Umverteilung im internationalen Maßstab nicht so empfänglich“, erklärt Hans Buss, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Bremen den Unterschied. Immerhin: Da ändere sich aber derzeit etwas.