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Ein Gewinner spricht über die Verlierer: Thüringens Linkspartei-Ministerpräsident über die Ergebnisse in Mecklenburg-Vorpommern

Routiniert und ideenlos

Linke Die Niederlage von Spitzenkandidat Holter ist auch selbst verschuldet: In bisherigen Koalitionen mit den Sozialdemokraten gab es kaum Erfolge

SCHWERIN taz | Den Abend, als die Linke ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten in Mecklenburg-Vorpommern einfuhr, verbrachten ihre Wahlkämpfer im Burwitz legendär bei Pommes und Schnitzel. Die Stimmung war eher routiniert als gedrückt: Wie bei einer Familienfeier, auf der man sich zu lange kennt, um noch etwas Neues zu erwarten. Spitzenkandidat Helmut Holter setzt nun wieder auf die rot-rote Koalition, die von 1998 bis 2006 regierte.

Allzu routiniert war die Linke auch im Wahlkampf. Helmut Holter lief im Linken-Wahlwerbespot durchs Bild, reihte Detailkritik und Phrasen aneinander. Zum Schluss fuhr er auf einer leeren mecklenburgischen Autobahn: „Tempo macht man auf der Überholspur – und die ist bekanntlich links.“ Holter wirkte, als wolle er in einem Koalitionsvertrag mit der SPD zwei Spiegelstriche verändern. Protestwähler holt man so nicht ab.

Die Linke hat sich aber nicht nur von einer Werbeagentur einen schlechten Spot verkaufen lassen. Sie hatte im Wahlkampf auch ein Problem mit ihrer Politik in den beiden bisherigen rot-roten Koalitionen des Landes. Ein wirkliches Vorzeigeprojekt der damaligen PDS, an das sich die Wähler erinnern könnten, gibt es nicht. Holter war damals Arbeitsminister und Vizeregierungschef.

Nun sind auf Landesebene die Gestaltungskompetenzen begrenzt. Entscheidender sind die Mitwirkungsmöglichkeiten der Länder über den Bundesrat. Die PDS hatte seinerzeit mit der SPD eine Enthaltung im Bundesrat vereinbart, falls es keine Einigung bei einem Thema gibt. Die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder wäre bei der Senkung der Unternehmenssteuern im Jahr 2000 ohne Mehrheit gewesen. Holter ließ sich seine Zustimmung für die Finanzierung von ein paar Landesprojekten durch den Bund abkaufen. Kurz darauf stimmte der damalige SPD-Ministerpräsident Harald Ringstorff bei der Einführung der Riester-Rente entgegen der Vereinbarung mit der PDS im Bundesrat zu. Die PDS moserte ein bisschen, kündigte die Koalition aber nicht auf.

23 Prozent aller Jobs wurden 2014 in Mecklenburg-Vorpommern unter dem heutigen Mindestlohnniveau bezahlt. Wer einen solchen Job hat, bekommt in den meisten Fällen eine Rente auf Grundsicherungsniveau. Die Linkspartei hat in ihrer Regierungszeit die Absenkung des Rentenniveaus hingenommen. Aber nach den Wahlerfolgen der AfD vom Frühling brach SPD-Chef Sigmar Gabriel in der Partei eine Debatte über ein höheres Rentenniveau vom Zaun. Wer in Mecklenburg-Vorpommern Angst vor Altersarmut hat, setzt daher vielleicht lieber auf den Schreck, den die AfD bei den etablierten Parteien auslöst, als auf Holters Linke. Das ist, bei aller irrationalen Furcht vor Flüchtlingen, die hinter dem AfD-Wahlerfolg steht, das Rationale an einer Wahlentscheidung für die AfD. Martin Reeh