Lernen auf hohem Niveau

Quartäre Bildung In der sich zunehmend beschleunigenden Wissensgesellschaft gewinnt akademische Weiterbildung an Bedeutung. Die Hochschulen sind gefordert

Wenn ein Roboter Daumen aus einem Hartschaum-Würfel schneidet: Industrie 4.0 Foto: Christian Burkert/laif

von Lars Klaaßen

Die Industrie 4.0 wird Realität: Maschinen einer Fabrik etwa, die miteinander kommunizieren, die automatisch alle wichtigen Informationen über den Stand der Produktion oder den Ressourcenverbrauch in die Rechnerwolke leiten. Dabei handelt es sich nicht mehr um Science-Fiction, sondern um serienreife Produkte. Auf Neuentwicklungen dieser Art basiert die Stärke des Produktionsstandorts Deutschland. „Dass wir bei technologischen Innovationen vorne liegen, ist unseren hochqualifizierten Mitarbeitern zu verdanken“, sagt Eberhard Niggemann, Akademieleiter bei Maschinenbauunternehmen Weidmüller, „Nur regelmäßige und bedarfsorientierte Weiterbildung garantiert, dass unsere Fachkräfte ihr Know-how auf höchstem Niveau halten. Das gilt ganz besonders für kommende Phasen der Digitalisierung, welche derzeit völlig neue Perspektiven der industriellen Fertigung eröffnen.“

Weidmüller hat 2003 eine eigene Akademie gegründet, mit Bündelung aller Aktivitäten zur Qualifizierung der rund 4.500 Mitarbeiter im Unternehmen, der Nachwuchssicherung und dem Wissensaustausch mit externen Institutionen, Hochschulen und Partnern. Akademieleiter Niggemann betont: „Auch bei der Qualifizierung gehen wir innovative Wege, um effizient ans Ziel zu kommen.“ Berufsbegleitende Qualifizierung gewinnt in der sich zunehmend beschleunigenden Wissensgesellschaft an Bedeutung, zugleich wachsen in diesem Bereich die Möglichkeiten durch neue Formen von Onlineangeboten. Das belegt der Hochschul-Bildungs-Report 2020, den der Stifterverband gemeinsam mit McKinsey jährlich herausgibt. Die Erhebung verzeichnet in Europa wie Deutschland „eine starke Entwicklung, zunächst aufseiten der Bildungsnachfrager, aber zunehmend auch aufseiten der Bildungsanbieter“. Der Report benennt mit Blick auf webbasierte Angebote eine Reihe von Vorteilen, wie etwa die niedrigen Zugangshürden (durch transparente Informationsportale und einfache Onlineanmeldung). Die Teilnehmer könnten zudem weitgehend unabhängig von Ort und Zeit lernen, was etwa ein berufsbegleitendes Fernstudium erleichtere. Da Online-Bildungsangebote kostengünstiger angeboten werden könnten, so der Report, seien sie auch für einkommensschwächere Schichten attraktiv.

Der Markt der beruflichen Weiterbildungsmöglichkeiten ist groß. Neben dem Weiterbildungstag bringen noch weitere Messen und Kongresse Licht ins Dickicht:

Die Messe Stuzubi am 24. September im Estrel-Kongresscenter in Neukölln richtet sich – der Name verrät es – an Studierende und Azubis. www.stuzubi.de

Die Jobmesse Berlin am 8. und 9. Oktober in der Mercedes-Benz-Welt am Salzufer in Charlottenburg informiert über Ausbildungswege, gibt Bewerbungstipps und macht Mut, einmal über den eigenen beruflichen Tellerrand zu schauen. www.jobmessen.de/berlin

Der Marktplatz Bildung im ehemaligen Kino Kosmos in der Karl-Marx-Allee wiederum beleuchtet am 11. Oktober speziell den Berliner Jobmarkt.

Der Eintritt zu allen genannten Messen ist frei. www.marktplatzbildung.de

„Effiziente Weiterbildung geht deutlich über reines E-Learning hinaus“, sagt Niggemann. Die Weidmüller Akademie setzt auf Blended Learning: Den Anfang macht in der Regel das Web Based Training. Auf einem Lernportal erarbeiten sich die Teilnehmer zunächst die Grundlagen – selbstständig, wann und wo sie wollen. Darauf folgt ein Webinar, bei dem Teilnehmer und Dozent an einen Termin gebunden sind. Beim Vertiefen der Lerninhalte können nun aktiv Fragen gestellt werden. Laut Niggemann werden Assistenzsysteme mit zunehmender Leistungsfähigkeit eine immer wichtigere Rolle bei der Wissensvermittlung und dem täglichen Lernen on-the-job spielen. Geht es danach in die Präsenzphase, sind alle bereits sehr gut vorbereitet. Nun rückt die Praxis stärker in den Vordergrund. „Unsere Fachkräfte wollen schnell zum Ziel kommen und sich passgenau erschließen, was im Beruf gefordert ist“, so Niggemann, „dabei hat sich dieses Modell bewährt.“

Onlinebildung gewinnt als zentraler Baustein in der beruflichen Weiterbildung weltweit an Bedeutung. So verlagerte Udacity – bislang Marktführer im Bereich tertiäre Onlinebildung – seinen Schwerpunkt auf Angebote in diesem Bereich. Auf europäischer Ebene wurde ein digitales Weiterbildungsangebot geschaffen, die E-Learning-Plattform „Academy Cube“. Deren Ziel ist es, arbeitsmarktrelevante Kompetenzen im Bereich MINT zu vermitteln. Auch erste Universitäten initiieren hierzulande zertifizierte digitale Weiterbildungskurse. TU9, die Allianz führender Technischer Universitäten in Deutschland, bietet einen Massive Open Online Course (MOOC) rund um „German Engineering“ an. MOOCs sind in der Regel für eine nahezu unbegrenzte Teilnehmerzahl und öffentlich über das Internet zugänglich. Sie beinhalten traditionelle Kursmaterialien (Videomitschnitte von Vorlesungen und Experimenten, Problemstellungen und Arbeitsaufträge) und bieten interaktive Foren, in denen sich die Teilnehmenden vernetzen und zusammen arbeiten können.

Viele Weiterbildungswillige schrecken vor den hohen Kosten zurück

„Weiterbildung zählt zwar zu den Kernaufgaben der Hochschulen, aber deren Anteil lässt sich noch steigern“, sagt Sebastian Horndasch, der sich als Programmmanager beim Stifterverband auch mit lebenslangem Lernen befasst. Rund 2,8 Millionen Menschen studieren derzeit in Deutschland. Sie sind in einigen Jahren die Kernzielgruppe für akademische Weiterbildung. „Damit die staatlichen Hochschulen dieses Potenzial künftig besser nutzen, sollten sie ihre Weiterbildungsprogramme unter anderem flexibler gestalten“, so Horndasch. „Bislang ähneln sie oft den üblichen konsekutiven Präsenzangeboten, das aber widerspricht den zeitlichen Rahmenbedingungen vieler Arbeitnehmer.“ Hochschulen sollten auch kleinteiligere Programme anbieten, nicht hauptsächlich Master. „Zielgerichtete Zertifikatsprogramme besitzen viel Potenzial“, betont Horndasch und mahnt an, dass weiterbildende Angebote eine andere Didaktik erfordern: „Im Vergleich zu klassischen Studiengängen ist in noch stärkerem Maße interaktives Lernen gefragt, an der praktischen Anwendung orientiert und am besten im Team.“

Viele Weiterbildungswillige schrecken bislang vor den hohen Kosten zurück. Erste Schritte zur Abhilfe wurden bereits getan, etwa mit dem Bund-Länder-Wettbewerb „Aufstieg durch Bildung: Offene Hochschulen“. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) weitet ihr Programm für Studienkredite auf die akademische Weiterbildung von Berufstätigen aus.