Der neue EU-Ratspräsident

Mit einer kleinen Anekdote lässt sich recht gut beschreiben, wie der Mann tickt, der die kommenden zweieinhalb Jahre der Europäischen Union vorstehen soll. Der belgische Ministerpräsident lud Ende Oktober seine Amtskollegen aus Spanien und Ungarn nach Brüssel ein, da diese drei Länder in den kommenden 18 Monaten den parallel weiterbestehenden Vorsitz in den Fachministerräten übernehmen werden. Als wäre das alles nicht schon verwirrend genug, würdigte Herman Van Rompuy den Anlass mit einem Haiku, einem japanischen Minigedicht – natürlich auf Flämisch. Es handelt davon, dass die drei Länder in drei verschiedenen Beitrittswellen zur Europäischen Union kamen, nun aber im selben Hafen vereint sind.

Die Szene zeigt, dass Van Rompuy durchaus Humor hat, dass man aber viel Bildung und viel Sinn für Skurriles braucht, um seine Witze zu verstehen. Da Bildung ja ein europäisches Markenzeichen werden soll, bringt der Mann immerhin nützliche Eigenschaften mit ins Amt. Eine andere Frage ist, wie sein hintersinniges Auftreten in Washington, Peking oder Tokio ankommen wird.

Ganz sicher wird Ankara wenig erfreut sein. In einem Interview, das britische Journalisten mit perfektem Zeitgefühl kurz vor dem EU-Gipfel ausgruben, spricht sich Van Rompuy sehr klar gegen einen EU-Beitritt der Türkei aus. Mit solchen Aussagen wird sich der studierte Philosoph und Volkswirt in seiner neuen Rolle zurückhalten. Eher wird er seine Amtszeit mit Kurzgedichten würzen. „Haar weht im Wind. Jahre später weht noch der Wind, doch leider gibt es kein Haar mehr“, deklamierte er beim letzten EU-Gipfel. Den Wahrheitsgehalt dieser Aussage kann jeder auf dem Kopf des neuen Ratspräsidenten überprüfen. DPS