Ankara beansprucht Mossul

TÜRKEIDie Armee greift in die Kämpfe im Nordirak ein. In Syrien bombardiert sie Kurden. Die Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS sind zerstritten

Protest in der Stadt Basra gegen die Präsenz türkischer Truppen im Irak Foto: Haidar Mohammed Ali/afp

Aus Istanbul Jürgen Gottschlich

Die türkische Armee hat nach Angaben von Ministerpräsident Binali Yıldırım am Wochenende erstmals aktiv in die Kämpfe um die nordirakische Millionenstadt Mossul eingegriffen. Auf Bitten der kurdischen Peschmerga, so Yıldırım, hätten türkische Artillerie und Panzerhaubitzen die Eroberung der Kleinstadt Baschika unterstützt. Baschika ist eine der Städte im Vorfeld von Mossul, die nun im Zuge des Großangriffs auf die Metropole Schritt für Schritt vom IS befreit werden.

Der Ort liegt 20 Kilometer nordöstlich von Mossul. Unweit davon, aber auf Territorium, das von den irakischen Kurden kontrolliert wird, unterhält die türkische Armee eine 700 Mann starke Basis, auf der kurdische und sunnitische Kämpfer für die Offensive auf Mossul ausgebildet wurden.

Mit dem aktiven Eingreifen in die Kämpfe hat die Türkei aber nicht nur die irakischen Kurden unterstützt, sondern gleichzeitig US-Verteidigungsminister Ashton Carter düpiert. Carter war am Wochenende zunächst in Ankara, dann in Bagdad und im kurdischen Erbil, um den Streit zwischen der irakischen und der türkischen Regierung, den beiden wichtigsten Verbündeten der USA im Kampf gegen den IS, zu schlichten.

Abadi ist kategorisch dagegen, dass die türkische Armee bei Mossul kämpft

Iraks Regierungschef Haider al-Abadi ist kategorisch dagegen, dass die türkische Armee am Kampf um Mossul teilnimmt. Die gesamte schiitische Führungsschicht im Irak sieht darin eine unzulässige Einmischung der sunnitischen Türkei in ihre inneren Angelegenheiten.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan beschwört dagegen die Gefahr, dass im Zuge der Kämpfe schiitische Kräfte die Sunniten aus Mossul vertreiben könnten und damit eine neue Fluchtwelle in Richtung Türkei auslösen würden. Außerdem macht Erdoğan historische Ansprüche auf die gesamte Region um Mossul geltend. Eigentlich „gehört Mossul uns“, sagte er in einer Rede am Wochenende. Die Türkei dürfe nicht ausgeschlossen werden, wenn es um die Zukunft der Stadt Mossul gehe.

Trotz der Bemühungen von Carter vertieft sich damit der Konflikt innerhalb der von den USA angeführten Anti-IS-Allianz. Das gilt nicht nur für den Kampf um Mossul, sondern auch in Syrien. Dort sind die kurdischen Volksbefreiungskämpfer der YPG die wichtigste Bodentruppe der US-Luftwaffe gegen den IS. Für die Türkei ist die mit der PKK verbündete YPG dagegen schlicht eine Terrororganisation, die sich anschickt, mit Unterstützung der USA große Teile in Nordsyrien unter ihre Kontrolle zu bringen.

Nicht zuletzt, um das zu verhindern, ist die türkische Armee Ende August in Nordsyrien eingerückt. Während sich bislang beide Seiten auf amerikanischen Druck hin noch aus dem Weg gegangen sind, kommt es nun zur Konfrontation. Rund um den Ort Al Bab, 20 Kilometer nordöstlich von Aleppo, der noch vom IS kontrolliert wird, hat die türkische Luftwaffe in den vergangenen Tagen 50-mal YPG Stellungen angegriffen, um zu verhindern, dass diese einen Verbindungskorridor zum kurdischen Kanton Afrin freikämpfen.

Die syrischen Kurden versuchen schon seit Längerem, ihre drei Siedlungsgebiete entlang der türkischen Grenze zu einem zusammenhängenden Gebiet zu vereinen. Mit den beiden Kantonen Kamischli und Kobani ist ihnen das bereits gelungen, den dritten, westlichsten Kanton Afrin trennen nur noch 35 Kilometer von dem bereits kurdisch kontrollierten Gebiet. Dieses von den Kurden angestrebte „autonome Gebiet Rojava“ will die Türkei unbedingt verhindern, weil sie darin einen „PKK-Staat“ an ihrer Grenze sieht.