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Gewerkschaft entrüstet: Traditionsfirma wird liquidiert, um in Frankfurt (Oder) billigere Arbeitskräfte einzustellen

Rechtlich ist es wasserdicht, für die 90 Mitarbeiter des Medienbeobachtungsunternehmens der Achterberg Service GmbH eine Katastrophe. Der gesamten Belegschaft wurde zum 31. Oktober dieses Jahres gekündigt (taz berichtete). Seit über 50 Jahren beobachtet die Firma sämtliche Medienerzeugnisse und versendet Pressespiegel. Die Aufträge gehen ab sofort an eine ehemalige Schwesterfirma in Frankfurt an der Oder.

Die 1998 gegründete Deutsche Medienbeobachtung (DMA) schloss mit den Beobachtungsunternehmen in Berlin und Frankfurt einen Zuliefervertrag und verteilte die Aufträge. Nun kündigte die DMA den Vertrag mit den Berlinern. Die Achterberg Service GmbH wird liquidiert. Anzumerken sei an dieser Stelle, dass der Geschäftsführer von DMA und der des Frankfurter Unternehmens die gleiche Person ist. Zudem führte diese Person bis vor einem Jahr die Geschäfte der Achterberg Service GmbH.

Uwe Bock, Landesbezirksbereichsleiter der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, gestern dazu: „Hier wurde versucht, alles rauszuholen. Rechtlich kann man bei diesem Vorgehen vielleicht nichts beanstanden, aber hier wurde ein gesundes Unternehmen systematisch kaputt gemacht.“

Auch fügt Bock hinzu, dass in Frankfurt (Oder) die Löhne 30 Prozent niedriger seien. Polnische Staatsbürger würden sogar 90 Prozent weniger Gehalt bezahlt bekommen. Daher würde das Berliner Unternehmen, trotz guter Auftragslage, liquidiert, um in Frankfurt billigere Arbeitskräfte einzustellen.

Konfrontiert mit den Vorwürfen, lässt die DMA verlauten, dass sich die Belegschaft der Achterberg Service GmbH völlig unflexibel gegenüber Lohnkürzungen und Arbeitszeitverlängerungen gezeigt habe. Es sei richtig, dass in Frankfurt (Oder) die Löhne niedriger seien, daher sei die Maßnahme der Liquidierung eine betriebswirtschaftlich richtige Entscheidung gewesen.

Zudem habe es in Berlin vermehrt Kundenreklamationen aufgrund von Qualitätsmängeln gegeben. Somit hätte sich die DMA gezwungen gesehen, den Zuliefervertrag mit dem Berliner Unternehmen aufzukündigen. Fortan gehen alle Aufträge an die flexibleren, billigeren Arbeitskräfte in den Osten Brandenburgs.

Die 90 Beschäftigten mit einem Durchschnittsalter von 47 Jahren haben weder ein Recht auf Weiterbeschäftigung in Frankfurt noch die Aussicht auf einen Sozialplan, der die langjährigen Mitarbeiter, teilweise bis zu 40 Jahre dem Unternehmen zugehörig, finanziell entschädigen würde. Mit der Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfristen werden sie nun ohne Abfindung arbeitslos werden. ANNE MÄRTENS