Amnesty kritisiert die Militärkoalition gegen den IS

SYRIEN Menschenrechtler sprechen von mangelndem Schutz von Zivilisten bei Angriffen

Bei russischen Luftangriffen kamen bisher 3.600 Zivilisten ums Leben

BERLIN taz | Vor dem Hintergrund der von den USA unterstützten Offensive gegen Mossul, der irakischen Hochburg des „Islamischen Staats“ (IS), hat die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) einen Bericht vorgelegt, der sich mit zivilen Opfern der von den USA geführten Anti-IS-Koalition in Syrien befasst.

Laut Amnesty hat das Militärbündnis gegen den IS in Syrien zu wenig getan, um die Zivilbevölkerung bei Bombardierungen der Dschihadisten zu schützen. Demnach wurden in den vergangenen zwei Jahren etwa 300 Zivilisten bei Angriffen gegen den „Islamischen Staat“ getötet.

Amnesty hat für seinen Bericht syrische Menschenrechtsorganisationen, Medienberichte, Interviews mit Augenzeugen sowie Satellitenaufnahmen, Fotos und Videos ausgewertet. Der Bericht konzentriert sich auf drei von elf Ortschaften in der Region Manbidsch im Nordosten der Provinz Aleppo. Allein in diesen drei Dörfern wurden demnach über 100 Zivilisten getötet. Einige der Vorfälle, so Amnesty, könnten Verstöße gegen internationales Recht sein.

In al-Turkan, dem Ort mit den meisten Opfern, wurden mindestens 73 Zivilisten, darunter 27 Kinder, getötet und etwa 30 Personen verletzt. Das Zentrale Kommando der USA, unter dessen Führung die Militärkoalition gegen den IS in Syrien steht, untersucht derzeit den Angriff auf al-Turkan.

Bereits am 28. September hat Amnesty ein Memorandum an das US-Verteidigungsministerium mit Fragen zu dem Verhalten der Koalitionstruppen in Syrien geschickt. Im Einzelnen fragt AI nach den geplanten Zielen der Angriffe und welche Maßnahmen ergriffen wurden, um Geheimdienstinformationen zu überprüfen. Außerdem will AI wissen, ob bedacht wurde, ob Zivilisten sich in der Umgebung aufhielten. Bislang hat die Menschenrechtsorganisation noch keine Antwort von den US-Behörden erhalten.

Amnesty hat bereits wiederholt Menschenrechtsverletzungen und mögliche Kriegsverbrechen in Syrien recherchiert. So liegen beispielsweise Berichte über Verstöße vor, die von der syrischen Armee und ihren Verbündeten, darunter Russland, begangen wurden. Letztere sind für die mit Abstand meisten Verletzungen des humanitären Völkerrechts verantwortlich. So sind bei russischen Luftangriffen im vergangenen Jahr nach Angaben von Menschenrechtsgruppen mindesten 3.600 Zivilisten ums Leben gekommen.

Beate Seel