LeserInnenbriefe
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Erfreuliche Entwicklung

betr.: „Jazz. Der Klang der Felsen“, taz vom 29. 10. 16

Die Provinz zieht mit Berlin gleich. Auch das Würzburger Jazzfestival vom Wochenende hatte in seinem richtig guten und abwechslungsreichen Programm genauso viele Gruppierungen unter weiblicher wie unter männlicher Leitung. Ganz so schlecht sieht es mit dem männlichen Überhang beim Jazz also nicht mehr aus. Auch im Publikum überwiegen die männlichen Zuhörer kaum noch. Das ist doch eine erfreuliche Entwicklung!

DORIS WÖRLER,Rödelsee

Folgen der Globalisierung

betr.: „Europäer, hört die Signale“, taz vom 31. 10. 16

Ich verstehe die jetzt weitergeführte Europadebatte als Teil einer Auseinandersetzung mit den Folgen der Globalisierung:

Es ist doch bemerkenswert, dass der ökonomische Riese Deutschland zirka 20 Prozent seines Außenhandelsüberschusses einfach verbrennen lassen muss, weil die „Partnerländer“ keine adäquaten Gegenleistungen erbringen können und vom Rest auch noch erhebliche Beträge zur Weiterverwendung bei der EZB geparkt wird. Da sind Ceta und insbesondere TTIP auch zur Absicherung weiterer Exporterlöse, weil diese Märkte eventuell noch ertragreicher sein könnten als die maroden Länder am Rande Europas. Gleichzeitig sind diese Abkommen auch Bollwerke gegen das weitere Vordringen Chinas, das ja schon Südostasien und den afrikanischen „Markt“ beherrscht.

Der Widerspruch der Wallonen mitten in Europa ist Beispiel für die Kehrseite der Expansion des Kapitals weg aus inzwischen geschwächten Regionen in Märkte, die noch Chancen bieten. Niemand behandelt ernsthaft das Thema Südosteuropa, wo vor dem Zusammenbruch der Warschauer-Pakt-Staaten zumindest niemand hungerte und ihre Bewohner als Gegenleistung fürs Stillhalten sozial besser abgesichert waren. Vor dem Eindringen von Lidl konnte zumindest die Landwirtschaft dafür sorgen, dass Menschen in Lohn und Brot bleiben. VW, Audi und Mercedes konnten sich wenige gut qualifizierte und billigere Fachkräfte für eine noch weiter automatisierte Produktion suchen und dafür sogar noch Subventionen einstreichen!

Die Regionen Europas müssen sich dem ökonomischen Diktat der Globalisierung widersetzen. Es muss sichergestellt werden, dass mindestens Ernährung, Energie, Gesundheitswesen und Verkehr vor Ort gesichert bleiben und vor multinationalen Trends geschützt bleiben. Nur demokratisch selbstbestimmte Regionen garantieren ein friedliches Zusammenwirken der Völker.

DIETMAR RAUTER, Kronshagen

Bezüge zu Carl Schmitt

betr.: „Das Unbehagen an der Ausgezeichneten“,taz vom 29. 10.16

Vielen Dank an Martin Reichert für seine parteiliche Positionierung für die humanistische Preisträgerin Carolin Emcke und gegen ein diffus raunendes Feuilleton, welches (auch schon in der taz) ein gewisses Unbehagen nicht unbeschrieben lassen möchte. Das der exlinke Welt-Mann Thomas Schmid, der mit seinem Springer-Chef Döpfner schon „1968“ neu ausdeuten wollte, sich durch moralische Unbedingtheit unangenehm berührt fühlen kann: geschenkt. Dass die Zeit, deren Chef Di Lorenzo unlängst den eleganten Nachweis führte, die kulturpolitische „Hegemonie“ der Grünen habe die AfD hervorgebracht, Emcke unterkomplex findet: so what?

Mein Eindruck ist, dass die rasante deutsche und europäische Rechtsentwicklung ihre Spuren in redaktionellen Köpfen und Medien hinterlässt. „Links“ ist schon lange nicht mehr chic, und „linksliberal“ ist weithin auch nicht mehr cool. Wer sich berühren lässt von dem, was leider ist, steht unter dem Verdacht mangelnder Professionalität und analytischer Distanz. Philosophische Köpfe wie Foucault und Sartre konnten sich böse streiten, um sich dann aber bei denselben Pariser Demos wiederzufinden. Wer den Festakt der Preisverleihung als „Feldgottesdienst“ insinuiert und deren Teilnehmer als „linksliberale Sekte“ (T. Schmid) ausmacht, verrät höchstens Bezüge zu Carl Schmitt und dass er dieser „Sekte“ nicht zugehören will. Ich aber schon.

ALBERT LANGE, Detmold

Mainstream hinterfragen

betr.: „Berlin grüßt Köln – die nächste Sparrunde betrifft die Domstadt“, taz vom 28. 10. 16

Nicht nur in Berlin, Köln oder bei der derzeit ebenfalls noch aus dem Hause Dumont stammenden Hamburger Morgenpost: Auch anderswo in der Republik werden die Auflagen gedruckter Tageszeitungen regionaler sowie überregionaler Art zukünftig weiter abnehmen – und das keineswegs nur wegen der Konkurrenz des kostenfreien Internets. Sogar selbst ernannte „Qualitätszeitungen“ verkommen immer mehr zu einem ungefilterten und unkritischen Sprachrohr des neoliberalen Mainstreams. Dass sogar die ehemals linke Frankfurter Rundschau aktuell diejenigen belgischen Regionen kritisiert, die den Mut haben, das Ceta-Abkommen mit Kanada ernsthaft infrage zu stellen, spricht in diesem Zusammenhang Bände. Um die neoliberalen Internet- und Fernsehschlagzeiten lediglich ungefiltert sowie unkritisch schwarz auf weiß bestätigt zu bekommen, brauche ich kein Zeitungsabonnement. Stattdessen erwarte ich von einer Tageszeitung, diese Mainstream-Inhalte ernsthaft zu hinterfragen und dabei auch die Kehrseite(n) der jeweiligen Medaillen „beim Namen zu nennen“, denn nur so ist heutzutage noch eine allseitig umfassende Information und Meinungsbildung möglich.

ELGIN FISCHBACH, Leimen