Gute Nachrichten Berichte zum Klimawandel klingen oft apokalyptisch. Lichtblicke in Wirtschaft, Politik und Wissenschaft werden schnell übersehen.
: Hoffnung fürs Klima

Foto: Jana Kay/ plainpicture

Der Vertrag: Am 4. November trat das Pariser Abkommen zum Klimaschutz in Kraft. Es verpflichtet alle Staaten, ab 2020 Treibhausgas-Emissionen zu reduzieren, die Wirtschaft klimaneutral umzubauen, arme Länder finanziell und techno­logisch zu unterstützen. Das Ziel: die Temperaturerhöhung bis 2100 „deutlich unter 2 Grad“ zu halten und 1,5 Grad an­zu­streben.

Die Konferenz: Vom 7. bis 18. November findet im marokkanischen Marrakesch die 22. UN-Klimakonferenz statt. Im Zentrum stehen die Umsetzung konkreter Hilfen für arme Staaten und die Verhandlung über die Details des Pariser Abkommens.

(Quellen: IEA, IPCC, Mercator Institute MCC, BMUB, Bloomberg, Climate Transparency, Weltbank, Universität Leipzig, taz)

von Bernhard Pötter

CO2-Ausstoß steigt nicht mehr

Die beste Nachricht zum Pariser Abkommen kommt aus Paris: Dort sitzt die Interna­tionale Energie-Agentur (IEA), ursprünglich die Lobbyagentur der Öl- und Kohleindustrie in den Industrieländern. Aber nun meldet die IEA für 2014 und 2015: Die CO2-Emissionen aus der Verbrennung von Kohle, Öl und Gas sind nicht mehr gestiegen, sie liegen konstant bei etwa 32 Milliarden Tonnen. Und für 2016 erwarten die Experten, dass sich der Trend fortsetzt. Der steile Anstieg von Klimagiften aus ihrer wichtigsten Quelle ist damit erst einmal gestoppt. Und das Wichtigste daran: Trotzdem ist die Weltwirtschaft in den letzten Jahren um etwa 3 Prozent gewachsen. Anders als sonst bei einem Einbruch der Emissionen (Ölschock 1979, Zusammenbruch des Ostblocks 1992, Finanzkrise 2008) ist der Grund also nicht eine globale Wirtschaftskrise, sondern ein effizienterer Einsatz von Energie und ein Umstieg auf erneuerbare Energien: 2015 stellten Wind, Solar, Wasser und Biomasse zum ersten Mal mehr als die Hälfte aller neuen Stromkapazitäten. Die gefährliche „Verbindung von Wachstum und Energieverbrauch“ wird schwächer.

Aber

Auch wenn bei den größten Ökosündern, China und USA, die Emissionen zurückgehen: In den boomenden asiatischen Schwellenländern, aber auch im Nahen Osten und selbst in Europa steigt der CO2-Ausstoß. Es ist also unklar, ob wir gerade tatsächlich den ersehnten „Emissions Peak“ sehen, nach dem die Klimagase dann rapide abnehmen müssen. Denn auch 32 Milliarden Tonnen sind noch 32 Milliarden zu viel – um das Klima bis 2100 bei höchstens 2 Grad plus zu stabilisieren, müssen die Emissionen aus der Energie gegen 2070 netto bei null liegen, in den Industriestaaten schon um 2050.

Kohlendioxid zu Plastik oder Stein

Wohin mit dem Kohlendioxid? Einem Team von kanadischen und chinesischen Wissenschaftlern ist in dieser Frage jetzt ein kleiner Durchbruch gelungen: Sie schafften es, CO2 in Kohlenmonoxid zu verwandeln, den Grundstoff für Plastik und Treibstoffe – und zwar zehnmal so energieeffizient wie bisher. Damit rückt die Möglichkeit näher, das Klimagift mit überschüssigem Ökostrom wieder zu etwas Nützlichem zu machen. Forscher in Island wieder­um haben verkündet, sie könnten das CO2 schnell zu Stein werden lassen: Sie pressten flüssiges Klimagas unterirdisch in Basaltgestein, wo es fest als Karbonat gebunden wurde, und zwar „in weniger als zwei Jahren“ – und nicht erst in Hunderttausenden von Jahren wie in der Geologie ohne menschliche Nachhilfe.

Aber

Wie mit allen Forschungsergebnissen rund um das Verschwindenlassen (CCS) oder die Nutzung (CCU) des CO2 bedeutet ein technischer Durchbruch noch lange nicht die flächendeckende Umsetzung. Ob solche Prozesse im industriellen Maßstab machbar, sicher und bezahlbar sind, hängt von vielen Faktoren ab: politischer Unterstützung, technischer Expertise, dem Preis für Rohstoffe und CO2.

Öko-Strom ist billiger als Kohlestrom

Wer heute vor allem in den energiehungrigen ­Schwellenländern ein Kraftwerk baut, kann statt auf die dreckige Kohle auf Wind und Sonne setzen. In Südafrika etwa kostet Grünstrom 40 Prozent weniger als Energie aus Kohle, zeigt eine aktuelle Studie der südafrikanischen Regierung. In Abu Dhabi, Chile und Dubai planen Investoren Solarkraftwerke, die Strom für den Rekordwert von unter 3 Cent pro Kilowattstunde liefern sollen. Kohle liegt je nach Land bei mindestens 4 bis 8 Cent, mit einer CO2-Steuer höher. Die Kosten für Solarstrom sind in den letzten fünf Jahren um 70 Prozent gesunken, billige Kredite und Subventionen treiben den Ausbau voran. Länder, die dezentral Strom brauchen, oder Städte, in denen die Luft zu dreckig zum Atmen wird, entscheiden sich zunehmend für Erneuerbare. Zum ersten Mal korrigierte jetzt die Internationale Eneregie-Agentur (IEA) ihre viel beachtete Prognose für Erneuerbare nach oben: 2021 soll demnach Ökostrom weltweit 28 Prozent zur Versorgung beitragen. Vor allem China, die USA, Indien und Mexiko wollen den Ökostrom weiter fördern und Preise senken. Weltweit wurden 2015 jeden Tag eine halbe Million Solarpaneele installiert und in China im Schnitt jede Stunde zwei Windturbinen aufgestellt. Der globale Strommarkt wandle sich, sagt IEA-Chef Fatih Birol. „Angeführt wird dieser Wandel von den Erneuerbaren.“

Aber

Preise können täuschen: Auch wenn Ökostrom pro Kilowattstunde billiger ist als Kohle, muss möglicherweise mehr gebaut werden, um die Versorgung zu sichern, wenn die Sonne nicht scheint oder kein Wind weht. Das kann die Kosten nach oben treiben. Neue Kohlekraftwerke werden geplant: in China etwa 500, in Indien etwa 250, in Indonesien um die 40 und in der Türkei rund 70. Würde nur ein kleiner Teil davon gebaut und über ihre Lebensdauer von 40 Jahren CO2 ausspucken, wären die Klimaziele nicht zu erreichen, warnen Experten. Für Ökostrom gibt es noch weitere Hürden: Oft fehlen CO2-Steuern für Kohle und Öl oder Einspeisetarife für den Grünstrom. Kohle-, Öl- und Stromkonzerne sind oft in staatlichem Besitz. Ganze Volkswirtschaften wie Russland, Venezuela oder am Persischen Golf finanzieren sich durch Öl und Kohle.

Das Geld fließt langsam in die richtige Richtung

„Die Billionen umleiten“ heißt das Motto vieler Klimaschützer: mehr Geld in die grüne Wirtschaft, weniger in Öl und Kohle. Langsam gelingt das: Von 2000 bis 2013 lagen die durchschnittlichen jährlichen Investitionen in Erneuerbare in den G-20-Staaten bei 117 Milliarden Dollar, für fossile und Atomkraft bei nur 92 Milliarden. Und aktuell sind die Öko-Energien doppelt so attraktiv für Investoren wie die fossilen Schmuddelkinder: Während 2015 etwa 270 Milliarden Dollar in Wind und Sonne flossen, war es für Kohle, Öl und Gas nur die Hälfte.

Öl- und Kohlekonzerne verlieren Marktanteile und Aktienwerte, im Frühjahr 2016 meldete der zweitgrößte Kohlekonzern der Welt, Peabody Coal, Ban­krott an. Der niedrige Ölpreis trägt dazu bei, dass klimaschädliche Investments in kanadische Teersände oder in der Arktis auf Eis gelegt werden. Und Experten debattieren schon, ob der berühmte Höhepunkt der Ölförderung, „Peak Oil“, überschritten ist – nicht weil es kein Öl mehr gibt, sondern weil die Nachfrage schrumpft.

Das „Divestment“, das Umschichten von Kapital aus den fossilen Energien, wird inzwischen nicht nur von Öko-Aktivisten, sondern von großen Anlagefonds, staatlichen Pensionskassen und Zentralbanken favorisiert. Der „grüne Klimafonds“ der UN hat aus seinem 10-Milliarden-Dollar-Topf die ersten Projekte für eine Energiewende in den armen Ländern angeschoben. Und die reichen Länder haben inzwischen einen Plan, wie sie ab 2020 jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für Technik, Anpassung und Emissionsreduzierung in den armen Ländern auftreiben wollen.

Aber

Bei aller Begeisterung für grüne Zahlen – das Geld reicht bisher nicht: Für eine Energieversorgung, die das Klimaziel einhält, müssten die G-20-Staaten ihre Investitionen in die Infrastruktur von derzeit 370 Milliarden Dollar jährlich praktisch verdoppeln, Südafrika und Indien sogar verdreifachen. Und nach wie vor subventionieren die Länder ihre Klimakiller: Knapp 500 Milliarden fließen jedes Jahr an direkten Beihilfen an die Öl-, Gas- und Kohleindustrie. Rechnet man die Kosten für Gesundheit und Umwelt dazu, bekommen die klimaschädlichen Industrien jedes Jahr indirekt 5,3 Billionen Dollar geschenkt.

Zusammenarbeit trotz Krisen

Bei guten Nachrichten aus dem Himmel denken viele Menschen an das „Ozonloch“, das sich wieder schließt. Das ist erst einmal falsch: Die Ausdünnung der Ozonschicht in der oberen Atmosphäre hat nichts mit dem Klimawandel zu tun. Trotzdem gibt es eine Verbindung: Das Ende der ozonschädlichen Chemikalie FCKW hat dem Klima eine Atempause gewährt, weil der Stoff gleichzeitig die Atmosphäre aufheizte. Und: Das Montreal-Protokoll zur Rettung der Ozonschicht wurde 1987 mitten im kältesten Kalten Krieg trotz aller ideologischen Feindschaft geschlossen.

So gibt es auch heute trotz Syrienkrieg, Flüchtlingskrise und neuem Kalten Krieg eine erstaunliche Bereitschaft zur internationalen Zusammenarbeit bei Entwicklung, Umwelt und Klima. 2015 wurden mit den „Nachhaltigen Entwicklungszielen“ (SDG) und dem Pariser Abkommen zwei große UN-Verträge geschlossen. 2016 rangen sich nach 19 Jahren Verzögerung auch die UN-Behörden für Luftfahrt und Schifffahrt, die ICAO und die IMO, zu Klimaschutz-Programmen durch. Im Oktober beschlossen die UN-Staaten, in den nächsten Jahren die klimagefährdenden HFC-Kühlgase abzuschaffen. Und die USA, Kanada und Mexiko einigten sich darauf, das Klimagas Methan zu bekämpfen.

Aber

Kooperation ist schön, wenn etwas dabei herauskommt. Der ICAO-Deal wird durch seine Schlupflöcher und seinen späten Beginn die Klimagefährdung durch den rasant steigenden Luftverkehr kaum bekämpfen. Auch der Plan der IMO ist voller Fragezeichen. Die SDGs müssen noch mit Leben gefüllt werden. Und das Pariser Abkommen wurde zwar in Rekordzeit ratifiziert. Sein Erfolg oder Scheitern wird sich aber im Kleingedruckten erweisen, das ab jetzt zäh verhandelt wird.

E-Autos boomen dank Dieselgate

„Dieselgate“ kommt genau zum richtigen Zeitpunkt, um zu zeigen, dass der Verbrennungsmotor ein Problem ist und keine Zukunft hat. Bisher hat global und in Deutschland der Verkehr praktisch nichts zum Klimaschutz beigetragen, die Emissionen sind in Deutschland so hoch wie 2005. Jetzt sind VW und Daimler plötzlich elektrisiert, Wolfsburg will 30 neue E-Modelle auf die Straße bringen und denkt über eine Batteriefabrik in Deutschland nach. Kein Wunder: Der Erfolg des US-Unternehmens Tesla mit rasanten E-Autos kratzt am Image und am Geschäftsmodell. Tesla hat im dritten Quartal 2016 endlich Geld verdient und Hunderttausende Vorbestellungen für sein neues „Model 3“, das noch gar nicht gebaut wird. In Deutschland wollen Umweltministerium und Bundesrat, dass ab 2030 nur noch Autos ohne Verbrennungsmotor zugelassen werden. Und, noch viel wichtiger: In China, wo auf dem weltgrößten Automarkt jedes Jahr 20 Millionen Fahrzeuge zugelassen werden, plant die Führung Quoten und Sanktionen für Autobauer, damit diese viel mehr E-Mobile auf den Markt bringen. Die weltweite Mobilität bewegt sich in Richtung Strom-Auto – ob das nun in Wolfsburg, Stuttgart und München gebaut wird oder nicht.

Aber

Noch hängt global der Transportsektor an der Zapfsäule. Weltweit ist erst jedes 1000. Auto ein E-Mobil. Und der konstant niedrige Ölpreis wirkt wie ein Konjunkturprogramm. Von Abrüstung im Motorraum ist bisher nicht die Rede: Bei deutschen Autos ist die Motorleistung in den letzten zehn Jahren um 25 Prozent gestiegen.

Unter den Wolken

Mit einer Menge Glück könnten wir bei der wichtigsten aller Klimafragen ein bisschen Zeit gewinnen. Um wie viel erwärmt sich die Erde, wenn sich der Gehalt des Treibhausgases CO2 in der Luft verdoppelt? Diese „Klimasensitivität“ entscheidet, wie heiß es bei uns wird – wovon wiederum vieles abhängt: schmelzende ­Gletscher, Meeresspiegel, Dürren, Fluten, Stürme. Bislang hat die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas seit 1850 den CO2-Anteil an der Luft von 280 ppm (Teilen pro Million) auf 400 ppm erhöht – und die globale Durchschnittstemperatur um 0,9 Grad Celsius. Die Verdopplung auf 560 ppm steht für 2040 oder 2050 an, wenn die Emissionen nicht radikal gebremst werden. 560 ppm, das hieße laut UN-Klimarat IPCC eine Erwärmung von 1,5 bis 4,5 Grad – 1,5 wären okay, 4,5 eine Katastrophe.

Eine aktuelle deutsche Studie legt nun nahe: Die Klimasensitivität sei wegen Prozessen in der Wolkenbildung geringer als gedacht und liege bei etwa 2,2 Grad Celsius. Eine Schweizer Untersuchung hat sich mit Wolken befasst, die die Oberfläche der Erde aufheizen, und vergleicht die Zustände von heute mit denen vor der Industrialisierung. Sie kommt zu dem Schluss: Es ist unwahrscheinlicher, dass die Klimasensitivität am oberen Rand, also Richtung 4 Grad, liegt. Haben diese Wissenschaftler recht, dann würde es vielleicht nicht ganz so schnell ganz so heiß.

Aber

Es gibt leider auch eine Studie, die widerspricht: Nach Auswertung von Beobachtungsdaten aus der ganzen Welt kommen hier ebenfalls Schweizer Wissenschaftler zu der Annahme, das Klima reagiere allergischer als gedacht auf die CO2-Kur – der Anstieg der Temperatur werde eher am oberen Ende der Skala liegen, also gegen 4 Grad. Und bisher ist in der realen Welt von einem gebremsten Klimawandel auch nichts zu spüren – im Gegenteil: Auch 2016 gab es wieder Hitzerekorde. 2016 haben wir die symbolische Marke von 400 ppm geknackt. Die Atmosphäre des Planeten Erde wird für die nächsten Jahrhunderte nicht mehr unter diesen Wert zurücksinken.