Energiesperren In Bremen wurden dieses Jahr weniger Haushalte vom Netz genommen. Runder Tisch führt das auf eigene Arbeit zurück
: Heiße Weihnachten

Zusammenrücken im Kerzenschein: Nur optisch haben Stromsperren ihren Reiz Foto: Jonas Guettler/dpa

von Lukas Thöle

Dunkle und kalte Weihnachten: Davon sollen dieses Jahr weniger Bremer Haushalte betroffen sein als noch 2015. Am Donnerstag hat der vom Energieversorger SWB mit VertreterInnen aus Politik und Zivilgesellschaft organisierte runde Tisch „Energiesperren“ mitgeteilt, dass in Bremen bis Oktober 7,4 Prozent weniger KundInnen vom Strom-, Wasser- oder Gasnetz getrennt wurden als im Vorjahr. In Bremerhaven sei jede sechste Sperre verhindert worden. Bisher waren die Zahlen jährlich gestiegen. Erst im Februar erstickte ein 19-Jähriger, als er in seiner Wohnung Wasser mit einem Holzkohlegrill erhitzte. Zuvor war ihm der Strom abgestellt worden.

„Zappenduster“ heißt die Kampagne, die der runde Tisch vor einem Jahr vorstellte. Eine erste Bilanz liegt nun vor. Der Internetauftritt informiert demnach monatlich 190 BesucherInnen. 130 Personen wendeten sich pro Monat an die dazugehörige Hotline. 30.000 Flyer würden inzwischen auch den ­Schreiben des Versorgungsunternehmens beigelegt. Unterstützt werde die Kampagne von weiteren Vereinbarungen und internen Maßnahmen der SWB.

Etwa durch kürzere Mahnfristen: „Klingt paradox, aber so vermeiden wir hohe Forderungen“, sagt Dieter Schmidt, Teamleiter des SWB-Kundencenters. In diesem Jahr seien vier Prozent mehr Mahnungen verschickt worden. KundInnen, die einen gelben Schein (siehe Infokasten) erhalten, müssen aktuell durchschnittlich 335 Euro zahlen. 2014 seien es noch 576 gewesen. Laut Homepage entstehen mindestens 100 Euro dieser Summe durch Mahnkosten.

Einen „wesentlichen Beitrag“ sieht Schmidt auch in den flexiblen Ratenzahlungen für Personen mit geringem Einkommen: „Wir haben gelernt, dass eine Rate von 50 Euro zusätzlich zum regulären Strompreis bei einem Einkommen von 404 Euro nicht möglich ist.“

Gleichzeitig wolle er darauf achten, diesem „Klientel“ weniger Strom zu verkaufen: „Wir können nicht erst helfen, wenn das Kind bereits im Brunnen ist“, so Schmidt.

Stromsperren seien aber „nicht allein eine Frage des Einkommens“, so eine Studie des Bundeswirtschaftsministeriums. Häufig seien „plötzliche und einschneidende Veränderungen im persönlichen Lebensumfeld“ ursächlich. Die Autoren empfehlen daher, Beratungsangebote auszubauen.

Erst ab 100 Euro droht eine Liefersperre.

Wer nicht zahlt, erhält nach einer Woche die erste Mahnung. Alle weiteren kosten 4,50 Euro.

Nach Ankündigung der Liefersperre bleiben drei Wochen, den Betrag zu zahlen.

Ein gelber Schein (15,71 Euro) kommt drei Tage vor der Sperre. Davon gab es in diesem Jahr 37.000 (2014: 40.000).

Ein roter Schein (85,76 Euro) bestätigt die Liefersperre. Diese bleibt, bis gezahlt wird.

Absolute Zahlen: Bis Oktober gab es 5915 Liefersperren. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es 6386.

Stromsperren haben daran den größten Anteil, Gas- und Wassersperren sind etwa gleichauf.

Genauere Zahlen sind nicht möglich, da die EDV-Systeme von swb noch nicht kooperieren.

Bundesweit gab es laut Bundesnetzagentur 331.273 Stromsperren.

„Die Mehrheit kommt aber erst, wenn eine Sperre bereits vorliegt“, sagt Dietlind Heller, die das Sozialressort vertritt. Das Jobcenter möchte aus rechtlichen Gründen aber keine Altschulden übernehmen. Laut Anja Stache vom Fachzentrum Schuldnerberatung ist das problematisch: „Das Projekt greift nicht, wenn Personen schon eine Sperre haben“, sagt sie. Für die präventive Kampagne sei es wichtig, die Informationen stärker zu verbreiten. Das sei erst Mitte des Jahres passiert: „Die Flyer liegen seit April den Schreiben von SWB bei“, sagt Iris Klauck, Projektleiterin bei SWB. Und auch das zuständige Personal sei erst im Sommer für die neuen Vereinbarungen geschult worden.

„Der Rückgang ist zwar zu begrüßen“, so der sozialpolitische Sprecher der Linksfraktion, Peter Erlanson, „alles andere wäre angesichts der Versprechen allerdings auch äußerst schlapp gewesen.“ Man dürfe nicht zu optimistisch sein: Die Sperrzahlen seien hoch und es sei abzuwarten, ob die Entwicklung anhält. Und: „Das Sozialressort hat es nicht geschafft, einen Härtefonds bei der SWB auszuhandeln“, sagt Erlanson. Jede Sperre sei daher eine zu viel.

Kirsten Kappert-Gonther, stellvertretende Vorsitzende der Bürgerschafts-Grünen, sieht es ähnlich: „Sinkende Zahlen sind gut, aber keine Trendwende“, sagt sie. Die Grünen würden sich weiterhin für einen Härtefonds einsetzen.