Tödliches Spiel mit dem Handy

Verkehr Zwölf Menschen starben beim Zugunglück von Bad Aibling.
Der Fahrdienstleiter wurde nun zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt

Ein Kreuz erinnert an das Unglück vom Februar 2016 Foto: Peter Kneffel/dpa

Aus Traunstein Patrick Guyton

Der Vorsitzende Richter Erich Fuchs verurteilt den Fahrdienstleiter von Bad Aibling zu dreieinhalb Jahren Gefängnis. Danach liest Fuchs die Namen und das Alter der zwölf Menschen vor, die bei dem Zugunglück am 9. Februar 2016 getötet wurden. Der älteste der Männer war 56 Jahre alt, der jüngste 26. Es waren zwei Pendlerzüge, die um 6.47 Uhr in Oberbayern auf der Strecke zwischen Holzkirchen und Rosenheim auf eingleisiger Strecke ineinandergekracht waren. In dem Bundesland waren Schulferien, sonst hätte der Unfall mit Sicherheit auch viele Kinder das Leben gekostet.

Dass der Fahrdienstleiter Michael P., 40 Jahre alt, verheiratet, ein Stiefsohn, Schuld daran hat, stand schon vor Beginn des Prozesses vor knapp einem Monat fest. P. gestand, den beiden Zügen gleichzeitig das Signal zur Fahrt gegeben zu haben. Er gestand auch, bei seinem Notruf nach Entdecken des Fehlers versehentlich auf die falsche Taste gedrückt zu haben – statt des Lokführers wurde das Schienenpersonal alarmiert. Für das Landgericht Traunstein ist sein Fehlverhalten fahrlässige Tötung, es bleibt nur knapp unterhalb der von der Staatsanwaltschaft geforderten vier Jahren Haft. Die Verteidigung hatte eine Bewährungsstrafe oder maximal zweieinhalb Jahre Gefängnis beantragt.

Die entscheidende Ursache für die Fehler des Fahrdienstleiters ist nach Auffassung des Gerichts klar aufgedeckt. „Das Spielen am Smartphone“, sagt Richter Fuchs, „ist ein klarer Dienstverstoß.“ Hat Dungeon Hunter 5 – ein Fantasy-Spiel in einer mittelalterlichen Welt – Michael P. so abgelenkt und in Anspruch genommen, dass er die Bahn-Streckenführung falsch bediente? Das Gericht hält das für erwiesen.

Der Richter beschreibt die Folgen der Handy-Aktivitäten. P. sei „gedanklich blockiert und fixiert gewesen“. Seine Fehler hätten „nichts mit einem Augenblicksversagen“ zu tun gehabt. P. habe „seine ganze Konzentration auf das Smartphone verwendet“. Fazit: „Das Unglück wäre nicht passiert, wenn er das Spiel nicht gespielt hätte.“ Mehrere Wochen sei P. in einen Sog geraten und habe „mit zunehmender Intensität“ gespielt. Am Unglückstag während 70 Prozent seiner Arbeitszeit, die um 4.45 Uhr begonnen hatte.

Ein Fantasy-Spielin einer mittelalterlichen Welt hat Michael P. abgelenkt

Vor der Urteilsverkündung steht Joachim Blosfeld an der Tür des großen Gerichtssaals B 33. Er war in einem der Unglückszüge. „Ich saß gegen die Fahrtrichtung“, sagt er der taz. Beim Zusammenprall drückte es ihn deshalb in den Sitz hinein und warf ihn nicht heraus. Er kam mit Prellungen davon. Blosfeld erinnert sich: „Ein Knall, dann alles dunkel. Erst sei „einfach nichts“ gewesen. „Dann habe ich die Schreie gehört, die Hilferufe.“ Blosfeld lässt sich psychotherapeutisch behandelt, er fährt keine Bahn und keine S-Bahnen mehr.

Warum ist er hier? „Mir geht es um die Verantwortung dieses Menschen“, sagt der 62-jährige Bauingenieur. „Ich habe keine Rachegefühle.“ Doch die Entschuldigung von P. anzunehmen, die dieser ausgesprochen hat, „fällt mir schwer“. Eine Botschaft ist Blosfeld wichtig: „Geht mit den Smartphones behutsamer um.“

Außerhalb jeder Kritik bleibt in dem Urteil die Deutsche Bahn. Es gebe „kein anderes Verschulden“ als jenes von P. Das Gericht konnte „keine Anzeichen erkennen, dass die Stellwerkstechnik nicht funktioniert“ hat. Von 1971 sei die Anlage in Bad Aibling zwar, aber nicht beschädigt oder kaputt. Ob die Bahn weitere Sicherungssysteme verwenden müsste, dazu könne das Gericht „keine Aussage machen“, so Richter Fuchs.