Auf die Fluggenehmigung gedrängt

Ermittlung Chef der Fluglinie in Haft, deren Maschine mit einer Fußballmannschaft an Bord abstürzte

Die Absturzstelle in La Union am 29. November Foto: Fernando Vergara/ap

BUENOS AIRES taz | Die öffentlichen Trauerfeierlichkeiten um den Tod fast der gesamten Mannschaft des brasilianischen Fußball-Erstligisten AF Chapecoense sind zu Ende. Die Suche nach den Verantwortlichen für den Flugzeugabsturz gehen hingegen weiter. Der in Bolivien ansässigen Chartergesellschaft LaMia war bereits wenige Tage nach dem Absturz die Lizenz entzogen worden. Nun wurden der Chef sowie zwei weitere Angestellte der Fluggesellschaft festgenommen und die Büroräume durchsucht.

Die Maschine vom Typ Avro RJ85 war am 28. November in Kolumbien abgestürzt. AF Chape­coense hatte den Flug gechartert, um mit Mannschaft, Trainerstab und Reportern zum Finalhinspiel um die Copa Sud­americana gegen Atlético Nacional Medellín zu fliegen. Kurz vor der Landung in Medellín stützte die Maschine ab. Die Schreckensbilanz: 71 Tote, darunter der Miteigentümer von LaMia, der als Pilot im Cockpit der Unglücksmaschine saß. Als Absturzursache gilt Treibstoffmangel.

Nach Presseberichten beträgt die reine Flugzeit von Santa Cruz bis Medellín rund 4 Std. 20 Min. Eine Maschine vom Typ Avro RJ85 kann mit vollem Tank maximal 4 Std. 22 Min. fliegen. Das ist zu knapp, um im Notfall einen anderen Flughafen ansteuern zu können. Der Pilot hätte also eine Zwischenlandung zum Auftanken einlegen müssen. Hat er aber nicht.

Für Boliviens Verteidigungsminister Reymi Ferreira steht damit der gestorbene Miteigentümer und Pilot als Verantwortlicher fest: „Der Pilot hat das Flugprotokoll verletzt. Es gab ein wirtschaftliches Kriterium, um Kosten zu sparen, das die Tragödie verursacht hat.“ Dagegen formulierte es bolivianische Generalstaatsanwalt Ramiro Guerrero etwas vorsichtiger. „Es kann leicht ein Fall von fahrlässiger Tötung werden“, so Guerrero.

Ermittelt wird auch gegen Boliviens Luftsicherheitsbehörde AASANA. Wer hat und warum den Flugplan so genehmigt? Am Dienstag durchsuchten die Ermittler die Büros von AASANA. Gesucht wurde auch nach Celia Castedo, die mutmaßlich den Flugplan der Absturzmaschine genehmigt hatte. Castedo war jedoch bereits in die grenznahe brasilianische Stadt Corumbá geflüchtet und hatte politisches Asyl beantragt. Ihr Antrag wurde von der brasilianischen Justiz angenommen, seine Bearbeitung kann bis zu einem Jahr andauern.

Wollte Castedo damit ihrer drohenden Anklage entgehen? Lokale Medien berichten, Castedo habe den LaMia-Vertreter Álex Quispe mehrfach auf das zu geringe Treibstoffvolumen hingewiesen. Quispe habe aber so nachdrücklich auf die Genehmigung insistiert, dass sie den Flugplan schließlich akzeptierte und an die Zivile Luftfahrtbehörde DGAC weiterleitete.

Unterstützung erhält Castedo von ihren GewerkschaftskollegInnen. „Castedo hatte gar nicht die Kompetenz, den LaMia-Flug zu genehmigen oder zu untersagen“, so Jorge Cabrera, Generalsekretär der Gewerkschaft der AASANA-Beschäftigten.

Reguläre Flugzeit: 4 Std. 20 Min. Maximaler Treibstoff: 4 Std. 22 Min.

Die Direktoren von AASANA und DGAC wurde bereits vergangene Woche von der bolivianischen Regierung suspendiert. Álex Quispe kann dazu nicht mehr befragt werden, er kam bei dem Absturz ebenfalls ums Leben.

Möglicherweise entging die argentinische Nationalmannschaft wenige Wochen zuvor einer ähnlichen Katastrophe. Denn mit genau der gleichen Chartermaschine von LaMia waren Lionel Messi und Co am 11. November nach dem WM-Qualifikationsspiel gegen Brasilien von Belo Horizonte zurück nach Buenos Aires geflogen – ebenfalls ohne Zwischenlandung. Der Flug dauerte 4 Stunden und 4 Minuten. Jürgen Vogt