Gerichtsbeschlüsse sind dem Lidl-Konzern egal

Trotz eines Verbots durch das Arbeitsgericht legt Lidl seine Calwer Filiale still. Ver.di sieht einen Fall für die Strafjustiz

CALW taz ■ Die Auseinandersetzung um die Schließung des Calwer Lidl-Marktes ist am Wochenende eskaliert. Entgegen einer gerichtlichen Untersagung der 6. Kammer des Pforzheimer Arbeitsgerichts vom 29. September hat Lidl die Filiale in der Hermann-Hesse-Stadt zum 1. Oktober stillgelegt.

Michael Rossmann als Geschäftsführer der Lidl Vertriebs GmbH & Co. KG Bietigheim hat die Schließung zunächst „wegen Renovierung“ veranlasst. Ein Bautrupp hatte daraufhin in der Nacht von Freitag auf Samstag die Fenster der Filiale von innen mit weißer Farbe getüncht, zudem wurden am frühen Samstagmorgen die Schlösser des Marktes ausgewechselt. Am Samstag ließ Lidl dann die ursprünglich angebrachten Hinweisschilder für Kunden austauschen. Nun heißt es: „Sehr geehrte Kunden. Wir haben diese Filiale zum 1. 10. 5 stillgelegt. Wir bitten um Ihr Verständnis.“ Während Lidl behauptet, die Geschäftsstelle schließen zu wollen, weil sie nicht mehr ins Vertriebskonzept passe, gehen die Mitarbeiter davon aus, dass der Discounter die Geschäftsstelle dichtmachen möchte, weil die Angestellten einen Betriebsrat gegründet und gestreikt hatten (taz vom 24. 9. 5).

Werner Wild, der baden-württembergische Ver.di-Vizechef, sagte, dass sich Lidl trotz „rechtskräftiger einstweiliger Verfügung“ des Pforzheimer Arbeitsgericht gegen die Schließung des Calwer Marktes „über die Rechtsordnung der Bundesrepublik Deutschland hinweggesetzt hat“, führe dazu, dass „Lidl nicht mehr nur ein Fall für die Arbeitsgerichte, sondern nun auch für die Strafrichter“ sei. Am Samstag wurde die Staatsanwaltschaft Tübingen eingeschaltet. Gestern wurden beim Amtsgericht Pforzheim ein Zwangsgeld in Höhe von 100.000 Euro für jeden geschlossenen Tag der Calwer Filiale sowie die sofortige Wiedereröffnung des Calwer Marktes beantragt.

Noch am Samstag hatten Ver.di-Vertreter und Lidl-Betriebsrat versucht, eine Eilentscheidung gegen die „illegale Schließung und für die sofortige Wiedereröffnung des Marktes zu erreichen“, so der Betriebsratsvorsitzende und Geschäftsstellenleiter Jost Walther. Das Calwer Amtsgericht sah sich aber auf Grund der komplexen Materie und des in Baden-Württemberg bislang einmaligen Vorgang außer Stande, noch am Samstag einen Eilentscheid zu treffen.

Unterstützung erfahren die 13 betroffenen Lidl-MitarbeiterInnen dabei von vielen Seiten. Nicht nur zahlreiche Kunden brachten bei einem Solidaritätsfest ihre Verwunderung über das Vorgehen von Lidl zum Ausdruck. Auch die zweite Ver.di-Bundesvorsitzende Margret Mönig-Rahne, die aus Berlin angereist war, zeigte sich auf einer Linie mit den Lidl-Beschäftigten. Der Einsatz von Betriebsrat und Ver.di sei eine Aktion zur Wahrung „der Rechte ganz normaler Menschen“. RALF RECKLIES