Haie in Sachsen
: "Wandelndes Gebiss"

Foto: privat

Das Meer kam, das Meer ging. Zurück blieben Millionen fossiler Haifischzähne in den Sedimentschichten der Erde. Ronny Maik Leder hat intensiv zu diesen Fossilien geforscht. Seit Anfang Dezember ist der 39-Jährige neuer Direktor des Leipziger Naturkundemuseums.

taz: Herr Leder, Achtung, schlechtes Wortspiel zur Begrüßung: Hai!

Ronny Maik Leder: Ja, das ist ein Klassiker. Ansonsten bekomme ich auch häufig das Lied von Bertolt Brecht zu hören: „Und der Haifisch, der hat Zähne, und die trägt er im Gesicht.“ Das stimmt übrigens. Der Hai trägt Zähne im Gesicht, eigentlich sogar am ganzen Körper. Seine Schuppen sind keine Schuppen im herkömmlichen Sinne, sondern Dentikel, also Hautzähne. Entwicklungsgeschichtlich haben diese denselben Ursprung wie seine Zähne im Kiefer. Man kann also sagen: Der Hai ist ein wandelndes Gebiss.

Die ersten Haie entwickelten sich vor 350 Millionen Jahren. Was war das für eine Welt, in der sich dieses Raubtier durchsetzen konnte?

Es gab noch nicht diese Artenvielfalt von heute. Die Lebewesen von damals waren häufig auch anders gestaltet. Es war schon eine sehr düstere Zeit. Bei den Fischen war alles gepanzert, sehr wehrhaft. Da ging es wahrscheinlich ordentlich zur Sache.

Und der Hai konnte sich durchsetzen, weil er ein wandelndes Gebiss war?

Möglicherweise. Er war einfach sehr gut angepasst.

Seine Zähne findet man jetzt bei Ihnen an der Museumskasse als Souvenir.

Eigentlich sind diese Fossilien ein Massenprodukt. Es gibt Sedimentschichten, in denen solche Zähne massenhaft gefunden wurden. Der wissenschaftliche Wert ist dann nicht so groß. Beim Braunkohletagebau im Süden von Leipzig etwa wurden so viele gefunden, dass solche Andenken kein Problem sind.

Moment: In Sachsen gab es Haie?

Und keine kleinen. Die waren bestimmt zwölf Meter lang. Vor 15 Millionen Jahren stand hier alles unter Wasser. Das ist das natürliche Auf und Ab der Meere – etwas, das wir auch jetzt erleben. Sicher, der Einfluss des Menschen auf das Klima ist gewaltig. Gleichzeitig gibt es aber keinen statischen Zustand auf dieser Welt, nirgendwo im Kosmos. Alles ist ständig im Wandel. Für den Menschen ist das schwerlich zu ertragen, weil er keine Kontrolle hat. Das geht schlecht mit der menschlichen Psyche einher. Wir als Museum sind da ein Vermittler zwischen Wissenschaft und Bevölkerung. InterviewMARKUS LÜCKER