Berliner Szenen
: Diebstahl mit Ansage

Die Welt ist schlecht

Frieda war erschöpft von der Schlechtigkeit der Welt

In der Hölle gibt es einen eigenen Kreis für Fahrraddiebe. Nicht den für die Verräter, auf denen herumgekaut wird. Nein, den letzten, den neunten, den innersten Kreis der Hölle meine ich, den zugefrorenen! Dort müssen sie fahren. Auf den geklauten Rädern. Immer im Kreis herum. Und an jeder Abfahrt nimmt ihnen ein Rechtsabbieger die Vorfahrt.

Frieda wurde gestern das Fahrrad geklaut. Wir telefonierten, als sie es merkte. „Dann probier doch noch mal Tinder“, sagte ich gerade, „oder OK Cupid oder wie die Dinger alle heißen. Ich kenne mindestens zwei Frauen, die so ihre Männer kennengelernt haben. Die eine ist schwanger, die andere heiratet dieses Jahr.“ Frieda sagte: „Lea, mein Fahrrad ist weg!“

Friedas Hausverwaltung hatte einen schlecht einsehbaren Zettel im Treppenhaus mit der Ankündigung angebracht, dass „offensichtlich unbenutzte Fahrräder in den nächsten Tagen vom Hof entsorgt“ würden. „Mein Fahrrad war nicht unbenutzt!“, heulte Frieda. „Ich bin jeden Tag damit gefahren!“

„Ruf die Hausverwaltung an und brülle!“, sagte ich, „genau mit der Stimme, die du jetzt hast. So auf der Schneide zwischen Wut und Verzweiflung. Damit hab ich sogar schon Gutschriften von der Deutschen Bahn bekommen!“

Die Hausverwaltung gab Frieda die Telefonnummer der Räumungsfirma. Die Räumungsfirma behauptete, sie wären heute noch gar nicht da gewesen. Diese dreisten Halunken! Und Frieda hatte nicht mal eine Hausratversicherung. Ich versuchte sie zu belabern, sie solle eine Anzeige gegen unbekannt bei der Polizei machen, aber Frieda war schon zu erschöpft von der Schlechtigkeit der Welt. „Dann geh mit mir einen trinken“, sagte ich. Als Frieda dem Barkeeper die Geschichte erzählte, gab er uns eine Runde aus. Und seine Telefonnummer. Lea Streisand